Gustav Klimt Danaë
Wenn sich Kunst und Wissenschaft die Hand geben
In der erotisch aufgeladenen Danaë verrät ein kurioses Detail: Klimts Exkursion aus der
Mythologie zur Wissenschaft.
Zunächst zur Mythologie: Dan war Prinzessin von Argos und Tochter von Akrisios.
Gewarnt vom Orakel ("Dein Enkel wird dich töten") verwahrt dieser sein einziges Kind
in einem Verlies. Doch Danaë hatte es Zeus angetan - und dieser findet natürlich einen
Zugang zu ihr: der Göttervater verwandelt sich in einen Regen aus Goldmünzen und
schwängert die Prinzessin, die neun Monate später Perseus gebiert. Dass auch dieser
in die Kunstgeschichte eingehen sollte, indem er Medusa tötete, ist eine andere
Geschichte (siehe Cellini-Perseus).
Zur Wissenschaft: wenn man den Blick von Danaës mächtigem Schenkel zur feinen
Ornamentik ihres Schleiers gleiten lässt, entdeckt man einige kuriose Gebilde. Sie
werden nicht nur von Biologen Blastozysten genannt. Das sind embryonale
Stammzellen um einen flüssigkeitsgefüllten Hohlraum, die sich drei bis vier Tage nach
der Befruchtung einer Eizelle bilden. Sind es die Stammzellen von Zeus’ Gnaden ? Das
wäre gut beobachtet, aber woher verfügte Klimt zu Beginn des 20. Jahrhunderts über
so viel embryologisches Detailwissen?
Blastocyste (Keimblase, 5ter Tag)
Klimt-Danaë Detail
Cellini-Perseus
Die Antwort findet man in den damaligen großbürgerlichen Künstlersalons
Wiens, allen voran jenem der Bertha Zuckerkandl-Szeps, einer umtriebigen
Publizistin, Gattin des berühmten Anatomen Emile Zuckerkandl. Im Rahmen
der Salonabende über dem Café Landtmann in der Oppolzergasse gab es für
Künstlerfreunde auch wissenschaftliche Vorträge, darunter welche mit Dia-
Projektionen von Blutgefäßen, Hirnzellen und…. Blastocysten. Klimt hat daran
teilgenommen. Kunst und Wissenschaft gaben sich die Hand.
Das Motiv der befruchteten Eizelle wurde auch von späteren Künstlern
aufgegriffen. Besonders originell ist das "Maschinchen" von Max Ernst, mit
seiner kryptischen Inschrift "Von Minimax Dadamax selbst konstruiertes
Maschinchen für furchtlose Bestäubung weiblicher Saugnäpfe zu Beginn der
Wechseljahre u. dergl. Furchtlose Verrichtungen" in der Peggy Guggenheim
Collection in Venedig. Im Bild entdeckt man zwei kugelige rötliche Bläschen
(eine am Ausgang des Wasserhahns, die andere im Glaskörper) die als
vergrösserte Ovozyten gedeutet werden können. Was mit den “weiblichen
Saugnäpfen” gemeint ist, und wie deren Bestäubung erfolgen soll, hat uns Max
Ernst nicht verraten. Ob er ahnte dass sein “Maschinchen für furchtlose
Bestäubung weiblicher Saugnäpfe” von einem damals noch ungeborenen
Wissenschaftler (Carl Djerassi, Miterfinder der «Pille» und eifriger Paul Klee
Sammler) sabotiert werden würde ?
Bertha Zuckerkandl-Szeps
Carl Djerassi 1923-2015
Max Ernst Maschinchen 1919/20
Auch Salvadore Dali nahm sich des Themas der befruchteten Eizelle an,
allerdings auf atomarem Niveau. In seinem Gemälde Butterfly Landscape (The
Great Masturbator in a Surrealist Landscape with D.N.A.) entdeckt man den
wichtigsten Bestandteil der Eizelle, die Desoxyribonukleinsäure (DNA), Trägerin
des genetischen Codes. Dies ist insofern bemerkenswert, als Dali die Abbildung
nur 4 Jahre nach der strukturellen Aufklärung der DNA-Doppelhelix (1953)
malte, d.h. lange vor dem Nobelpreis an Watson & Crick (1962). Als Künstler
hatte er offenbar einen besseren Riecher für wissenschaftliche Durchbrüche als
das Nobelkomitee. Die Deutung seiner Schmetterlinge überliess er allerdings
dem Betrachter.
Zurück zu Klimts Danaë. Ein Detail, das nichts mit Embryologie zu tu tun hat,
sind die verkrallten Finger der Prinzessin. Lassen diese auf ihr Lustgefühl beim
Empfang des göttlichen Goldregens schließen? Wohl kaum. Nicht vergessen, die
Darstellung entsprang der Phantasie eines Mannes der als Erotomane in die
Kunstgeschichte einging. Gekauft wurde sein Gemälde ebenfalls von einem
Mann. Zwar kein Erotomane, aber jemand der die Gentechnik zum
Teufelszeugerklärte, und in seiner österreichischen Tageszeitung (Krone)
täglich eine «Nackerte” auf Seite 7 platzierte, ausser im Advent und in der
Karwoche, wo ihr ein Pulli übergezogen wurde. Ob das Gemälde noch immer
über dem Kamin der Dichands in der Wiener Kaasgrabengasse hängt, ist
ungewiss.
Dali-Butterfly Landscape 1957
Klimt-Danae (Detail)
Natürlich stellt sich die Frage, wie andere Künstler mit dem Danaë Motiv
umgingen. Historisch gesehen begann die Hitparade schon lange vor
unserer Zeit, etwa mit Keramikbemalungen wie auf dem rotfigurigen
Glockenkrater aus Böotien (um 450 v. Chr.). Sie setzte sich fort mit
Künstlern der Renaissance wie Jan Gossaert gen. Mabuse (1527), Correggio
(1530), Tizian (1564), und Tintoretto (ca 1570), des Barocks wie Artemisa
Gentileschi (1612), Manieristen wie Orazio Gentileschi (1621), Symbolisten
wie Franz Stuck (1923) und Künstlern der Wiener Moderne wie Egon
Schiele (1909).
Gemeinsamkeiten? Alle Danaë Darstellungen kamen von Männern, ausser
jener der Artemisia Gentileschi; gelang ihr deswegen die
Veranschaulichung der weiblichen Psyche mit geschlossenen Augen so gut?
Vor Klimt kam ihr im Ausdruck nur G. L. Bernini mit seinen Skulpturen
Extase der Hl. Theresa (1652) und Verzückung der Beata Ludovica
Albertoni (1674) so nahe.
Verschiedenheiten? die Dichte des Goldregens und der verklärte Blick der
Danaë. Die Bandbreite von religiöser Hingabe, irdischer Lust bis hin zur
Autoerotik lässt tief in die Psychoanalyse der darstellenden Künstler
blicken, v.a. der männlichen. Schade, dass sich diese noch nicht auf
Sigmund Freuds Couch in der Berggasse legen konnten ;-) KY 2018
O. Gentileschi 1621
Krater 450 v. Chr Jan Gossaert (1527) Correggio (1530)
Tizian (1564), Wiener Fassung
Egon Schiele (1909)
Tintoretto (ca 1570)
Bernini 1652 Bernini 1674
Danae