Zum Grund des Genfer refus: es war weniger der angeblich obszöne weibliche
Rückenakt, sondern die Tatsache dass sich Hodler so ungeniert zwischen seinen
zwei Frauen darstellte, die den damaligen Genfer Bürgermeister (Théodore
Turrettini) das Bild inconvenant entfernen ließ. Motif: respect de la bienséance et
de la moralité publique. Paris hatte andere moralische Maßtäbe, und
bewunderte die Szene uneingeschränkt. Gekauft wurde das Gemälde kurz
danach vom Kunstmuseum Bern.
Vom Genfer "faux-pas" gibt es eine gelungene Persiflage in den dortigen
Archiven. Hodler ist nicht von seinen Frauen, sondern von schlafenden
Gemeinderäten umgeben. Köstlich. Diese Art von Kritik war in Genf offenbar
möglich.
Dass sich der Frauenheld Hodler kurz danach von seiner Frau Bertha trennte,
war zu erwarten. Auch dass er seine zweite Frau Berthe betrog. Diese erwarb
nach seinem Tod das Gemälde eines anderen Schwerenöters, ein gewisser
Gustav Klimt, nämlich Judith I. die jetzt im Wiener Belvedere hängt. Auch dieses
Gemälde handelt von Eros und Thanatos, wurde aber von der Fin de Siècle
Gesellschaft der Donau-Metropole gnädiger aufgenommen als Hodlers Nacht am
Genfersee. Wer die schöne Judith verkörpert, ist allerdings nicht gesichert.
Amüsantes Detail: in seinem Todesjahr 1918 wurde Hodler Ehrenbürger von
Genf. Er hatte schon immer ein Händchen dafür, Niederlagen in Triumphe
umzuwandeln. Judith I.