Pieter Brueghel d. Ä. - Kampf zwischen
Fasching und Fasten
Viel Lärm um eine fehlende Leiche
Auch seriöse Zeitungen treten manchmal ins Fettnäpfchen. Die Financial Times
veröffentlichte im Okt. 2015 einen Artikel über eine mögliche Raubkunst, der in
Wien für einige Irritation sorgte. Es wurde darin der Verdacht geäussert, dass
Pieter Brueghels d. Ä. Kampf zwischen Fasching und Fasten aus dem KHM jenes
Werk sei, das während des Nazi-Regimes 1939 aus einem Museum in Krakau
verschwand (Otto Wächter). Wie in solchen Fällen üblich, kursierten daufhin
innerhalb kürzester Zeit gleichlautende Berichte in allen internationalen
Medien. Der clou: das KHM-Gemälde gelangte unter Kaiser Rudolf II. in
habsburgischen Besitz und war seit 1748 im Bestand der öst. Gemäldegalerie,
eine Provenienz, die historisch dokumentiert und damit absolut unstrittig ist.
Des Rätsels Lösung liess nicht lange auf sich warten, obwohl die
Nachforschungen nicht leicht waren. Einerseits wurde das Gemälde von seinem
Erschaffer an einigen Stellen übermalt, und andererseits wurde es von seinem
rechtschaffenen Sohn Pieter Brueghels d. . nicht weniger als 18 mal kopiert
und in die verschiedensten Himmelsrichtungen verstreut.
Durchleuchtungen und spektrokopischen Untersuchungen der Wiener Fassung mit
Infrarot- und Röntgenstrahlung brachten überraschende Details zu Tage. Dem
Vater Brueghel sass offenbar der Schalk im Nacken („Pieter der Drollige“). Da
schaut einem etwa eine übermalte Leiche mit weit geöffneten Augen und
schreckerfülltem Gesicht aus dem rechten unteren Eck entgegen, oder ein
übermaltes Prozessionsbanner mit Kreuz, das in der endgültigen Fassung eine
Brotschaufel mit Fischen wurde. Wichtiges Detail: in der Krakauer Fassung wurde
die Leiche nicht übermalt.
Ein genauer optischer Vergleich der beiden Gemälde fördert noch andere
Unterschiede zu Tage: in der Wiener Fassung (vom Vater) etwa hält der auf dem
Fass sitzende Fettwanst (mittig links) einen Spiess mit Schweinskopf in der Hand,
von dem ein Würstel herabbaumelt. Dieses fehlt in der Krakauer-Fassung, die
offenbar vom Sohn stammt. Die Faschmeldung der britischen Zeitung war
angeblich einem Übersetzungsfehler aus dem Polnischen geschuldet. Interpreten
haben bekanntlich breite Schultern.
Der angesagte Disput zwischen polnischen und österreichischen Institutionen fand
also nicht statt. Bleibt der schale Nachgeschmack, dass in Restitutionsfragen die
Nerven noch immer blank liegen, und Meldungen dieser Art von Medien nur allzu
dankbar, aber oft ungerechtfertigt, aufgegriffen werden.
Die Krakauer Version ist noch immer verschollen.