Zum anderen achtete er aber darauf, bei den Häuptern der Figuren,
welche einen direkten Vergleich ermöglichen, die Proportionen zu
wahren. Heute weiss man, dass all diese Abweichungen von der Realität
der Ästhetik geschuldet, und damit gewollt waren.
Gewollt war vermutlich auch der überzählige fünfte Schneidezahn des
Leichnams. Er findet eine Erklärung in Marco Bussaglis Buch „I denti di
Michelangelo“ (2014). Er zeigt dass sich ein überzähliger Mittelzahn auch
bei Figuren in der Sixtinischen Kapelle findet, etwa den Verdammten des
Weltgerichts, aber auch bei einem Henker in der Kreuzigungsszene der
Cappella Paolina. „So ein Zahn gilt als Symbol der Sünde. So wollte der
Künstler wohl ausdrücken, dass Christus die Sünde der ganzen Welt ans
Kreuz getragen hat“. Für Zahnärzte bleibt dies dennoch ein Rätsel.
Schließlich wäre da noch die in römischer Antiqua gemeißelte Signatur in
der Schärpe, die quer über die Brust der Madonna verläuft:
MICHEL.A[N]GELVS BONAROTVS FLORENT[INVS] FACIEBA[T]. Sie sollte die
einzige Signatur eines Werks von Michelangelo bleiben. Er hatte es
vermutlich nicht mehr nötig.
Seine Pietà wurde ein einziges Mal aus dem Petersdom entfernt. Dies
geschah 1964 aus Anlass der Weltausstellung in New York. Die 2600
Kilogramm schwere Statue kehrte zum Glück unbeschadet zurück. Zuvor
wurde jedoch eine Kopie angefertigt, was sich als extrem wichtig für
später herausstellen sollte.