Marco Polo - "Die Wunder der Welt
Phantasiegeschöpfe eines Abenteurers mit zwei Geburtsorten
Heute wäre Marco Polos reich bebildertes Buch "Die Wunder der Welt"
(Livre des merveilles, Le Devisement du monde) ein Bestseller. Sein
legendärer Reisebericht über die Seidenstraße in den fernen Osten zeigt,
wie bereits im 13 Jhdt. die Globalisierung des Handels, etwa von Pfeffer,
Seide und Kanonen, um sich gegriffen hat, und das zu einer Zeit, als es den
Buchdruck noch gar nicht gab, und Bücher noch mühsam abgeschrieben
werden mussten. Vom 1298 erschienenen Bericht sind immerhin noch 150
Ausgaben in verschiedensten Sprachen erhalten. Während des
ausklingenden europäischen Mittelalters waren sie die wichtigste Quelle für
Reisen in die Welt außerhalb Europas. Sie gaben nicht nur zeitgenössischen
Kaufleuten und Reisenden praktische Informationen über China und den
fernen Osten, sondern prägten auch in den folgenden Jahrhunderten die
europäische Sicht Asiens. Nicht immer ganz korrekt, aber wenigstes
authentisch. So stimulierte Marco Polos Bericht auch Christoph Columbus
und Vasco da Gama zu ihren Entdeckungsfahrten im XV. und XVI. Jhdt.
Wie es sich für den Bericht eines Abenteurers gehört, entstand dieser unter
ungewöhnlichen Umständen, nämlich im Gefängnis, und zwar in Genua. Dorthin
wurden der Galeerenführer Marco Polo und seine venezianischen Mitstreiter
nach der verlorenen Seeschlacht vor Korčula (Curzola, 1298) gegen die Genuesen
gebracht. Die Vorsehung wollte es, dass er mit einem Schriftsteller namens
Rusticello aus Pisa in eine Zelle zusammengesperrt wurde. Diesem erzählte er
von seiner Reise nach China, von den Sitten und Umständen, die in den bereisten
Ländern herrschten, und diktierte ihm möglicherweise sogar seinen Bericht. Mit
anderen Worten, hätte es die Schlacht bei Korčula nicht gegeben, wäre die
erstaunliche Lebensgeschichte Marco Polos unbekannt geblieben, und das
Meisterwerk der Abenteuer-und Reiseliteratur nie geschrieben worden. Ob
Marco Polo tatsächlich bis nach China kam, oder nur nacherzählte, was er im
Nahen Osten von anderen Chinareisenden hörte - wie seine Kritiker behaupteten
- tut hier nichts zur Sache.
Wichtig ist, dass sein Bericht in vielen Handschriften erschienen ist, und sein
nchterner Text prächtig illustriert wurde. So findet man interessante
Abbildungen, wie etwa menschliche Phantasiegeschöpfe, die den Erwartungen
der europäischen Leser vom exotischen Asien entsprechen sollten. Ein Beispiel
dafür ist die Repräsentation der Pfefferernte mit Einheimischen in Sd-Indien
(Kerala). Der mit der Ernte beauftragte Einheimische wird mit einem Affengesicht
dargestellt. Diese eher unvorteilhafte Wiedergabe entsprach keineswegs dem
damaligen Aussehen unserer indischen Nachbarn, sondern eher der Sicht der
sich überlegen fühlenden Europäer. Eine Legende eben. Gewürze-Kräuter
Korčula
Eine andere Legende, die sowohl von Venedig als auch
von Korčula eifersüchtig gepflegt wird, ist der
Geburtsort ihres Helden. Beide Städte reklamieren
Marco Polo für sich. In Korčula steht ein baufälliges
Geburtshaus von Marco Polo” dem später ein Turm
aufgesetzt wurde, während sich Venedig mit einem
anderen Geburtshaus brüstet, bzw. gebrüstet hat,
denn es ist 1596 abgebrannt. Eine Gedenktafel auf
einem urhässlichen Neubau in der Calle Scaleta (Nähe
Teatro Malibran) erinnert daran. Der nach Marco Polo
benannte Flughafen von Venedig ist auch nicht
schöner.
Marco Polo hat also zwei Geburtsorte. Damit muss
man leben. Er war zweifellos ein venezianischer
Händler, dessen Familie ursprünglich aus Dalmatien
stammte, wie die Besitzungen in Korčula und Ragusa
(Dubrovnik) zeigen, wo er aber nun wirklich geboren
ist, wissen nur die Götter...
.... und seine verstorbene Mutter.
Korčula Haus Marco Pollo
Venedig Haus Marco Pollo