Wie es sich für den Bericht eines Abenteurers gehört, entstand dieser unter
ungewöhnlichen Umständen, nämlich im Gefängnis, und zwar in Genua. Dorthin
wurden der Galeerenführer Marco Polo und seine venezianischen Mitstreiter
nach der verlorenen Seeschlacht vor Korčula (Curzola, 1298) gegen die Genuesen
gebracht. Die Vorsehung wollte es, dass er mit einem Schriftsteller namens
Rusticello aus Pisa in eine Zelle zusammengesperrt wurde. Diesem erzählte er
von seiner Reise nach China, von den Sitten und Umständen, die in den bereisten
Ländern herrschten, und diktierte ihm möglicherweise sogar seinen Bericht. Mit
anderen Worten, hätte es die Schlacht bei Korčula nicht gegeben, wäre die
erstaunliche Lebensgeschichte Marco Polos unbekannt geblieben, und das
Meisterwerk der Abenteuer-und Reiseliteratur nie geschrieben worden. Ob
Marco Polo tatsächlich bis nach China kam, oder nur nacherzählte, was er im
Nahen Osten von anderen Chinareisenden hörte - wie seine Kritiker behaupteten
- tut hier nichts zur Sache.
Wichtig ist, dass sein Bericht in vielen Handschriften erschienen ist, und sein
nchterner Text prächtig illustriert wurde. So findet man interessante
Abbildungen, wie etwa menschliche Phantasiegeschöpfe, die den Erwartungen
der europäischen Leser vom exotischen Asien entsprechen sollten. Ein Beispiel
dafür ist die Repräsentation der Pfefferernte mit Einheimischen in Sd-Indien
(Kerala). Der mit der Ernte beauftragte Einheimische wird mit einem Affengesicht
dargestellt. Diese eher unvorteilhafte Wiedergabe entsprach keineswegs dem
damaligen Aussehen unserer indischen Nachbarn, sondern eher der Sicht der
sich überlegen fühlenden Europäer. Eine Legende eben. Gewürze-Kräuter
Korčula