Édouard Manet - L'Exécution de Maximilien
Legendenbildung durch historisch falsche Bilddetails
Inhalt von Manets Gemälde ist die Erschiessung des damals 35-jährigen
Erzherzogs Ferdinand Maximilian von Habsburg Lothringen in Mexico 1867. Der
jüngere Bruder von Kaiser Franz Joseph I. wurde 1864 auf Betreiben von
Napoleon III. Kaiser von Mexico, und bezog mit seiner ehrgeizigen Charlotte das
Schloss Chapultepec bei Mexico-City (wo heute noch seine goldene Kutsche
ausgestellt ist). Nach Ende des amerikanischen Bürgerkriegs wurde Maximilian
von Napoleon III. fallen gelassen, und von der Gegenregierung des
Präsidenten Benito Juárez gefangen genommen. Dieser liess ihn in einem
Kriegsgericht zum Tode verurteilen und am Ort der letzten Kämpfe auf dem
"Hügel der Glocken" in Santiago de Querétaro (Zentralmexiko) füsilieren.
Manet malte die Szene der Exekution mindestens 4 mal, und zwar nach dem
Vorbild von Goyas Protestbild "3 Mai 1808" gegen Napoleon I. Alle Versionen
befinden sich außerhalb Frankreichs (Boston, Kopenhagen, London, Mannheim).
In der grossen ersten Fassung (1867, teilweise übermalt und unfertig, Boston Art
Museum) trägt das Erschießungskommando - soweit erkenntlich - noch
mexikanische Kleidung und einen Sombrero. Das ist historisch korrekt.
I.
Boston
Maximilian (Mexico)
In der zweiten Fassung (London) sieht man nur mehr französische
Uniformen, was historisch falsch ist. Mit dieser Darstellung wollte der
politisch engagierte Republikaner Manet offensichtlich gegen Kaiser
Napoleon III. protestieren. Kein Wunder dass das Bild in Paris nicht
ausgestellt werden durfte, stellte es doch die Rolle Frankreichs als
Beschützer Maximilians infrage (Zola: Frankreich erschießt Maximilian).
Der Protest Manets war aber ungerechtfertigt, denn Maximilian wurde
die Möglichkeit zur Flucht angeboten, er schlug sie aber aus. Das
Gemälde wurde 1883 - nach Manets Tod - von Manets Sohn zerschnitten,
wobei nur 4 Fragmente "überlebten".
Auch in der kleinen dritten Fassung (1967 Copenhagen) wird von
Gardisten in französischer Uniform geschossen, die Zuschauer sind jedoch
nicht erkennbar.
In der grossen vierten Fassung (1868, Kunsthalle Mannheim) wird von
Gardisten in ausschließlich französischer Uniform geschossen, und die
Zuschauer sind als Mexikaner gut erkennbar. Manet signierte das Bild
unten links mit seinem Namen und dem Tag der Erschießung, nicht mit
dem Datum der Fertigstellung des Bildes. Besonders auffällig: der Offizier
im Vordergrund (mit dem Gesicht Napoleons III) hantiert teilnahmslos mit
seiner Waffe. Das Bild wurde mehr als 1 Jahr nach der Erschießung
angefertigt als Manet bereits Fotos der Exekution gesehen hatte.
II.
III.
IV.
London
Copenhagen
Mannheim
Die tatsächliche Erschiessung sah jedoch ganz anders aus. Exekutiert
wurde Maximilian von einem mexikanischem Erschiessungskommando.
Manet opferte also die historische Wahrheit, um seiner Gesinnung als
Gegner Napoleons III. Ausdruck zu verleihen. Auch andere Bilddetails hat
er erfunden. Auf dem Gemälde erscheint Maximilian in der Mitte,
während er in Wirklichkeit rechts stand. Warum die Gewehrläufe in der
letzten Version des Gemäldes auf den Leidensgenossen Maximilians links
daneben zielen und die Hand des anderen Leidensgenossen schon vor
der Erschießung blutet, ist unverständlich.
Nicht verwunderlich dass sogar an der Erschießung selbst Zweifel
aufkamen. Maximilian schritt mit Gesichtsmaske zur Exekution, es waren
keine Zuschauer zugelassen, und sein Leichnam wurde erst sieben
Monate nach seinem Tod, fast unkenntlich, vom damaligen Vizeadmiral
Tegetthoff nach Triest überstellt. Handelte es sich vielleicht um eine von
Juarez tolerierte Schein-Exekution, und der möglicherweise unter einem
Pseudonym in San Salvador zurückgezogene Kaiser wurde 104 Jahre alt?
Das Maximilian posthum gewidmete Denkmal in Pula von Heinrich von
Ferstel steht heute als Columna Rostrata in den Giardini Pubblici von
Venedig. Umgewidmet zu Ehren der italienischen Marine, die von
seinerk.k. Kriegsmarine unter Tegetthoff bei Lissa besiegt wurde (siehe
Essay). Der Kreis um den tragisch gescheiterten Monarchen hat sich
geschlossen.