Glühbirnenvon Dendera
Auf den Spuren von Christian Morgenstern und
Daniel Düsentrieb
Besaßen die alten Ägypter elektrischen Strom und Glühbirnen? Das behaupten
zumindest einige proto-wissenschaftliche Autoren unter Hinweis auf Reliefs in
unterirdischen Krypten des Hathor Tempels von Dendera, 50 km nördlich von Luxor.
In mancher Hinsicht sind die Reliefs tatsächlich eigenartig. Sie zeigen
birnenförmige, schräg aufrecht stehende, transparente Kolben, die an
überdimensionale Glühbirnen erinnern. Ihre Ikonographie war zwar umstritten,
heutige Ägyptologen sprechen aber von Kultobjekten, die einer Lotosblüte
entspringen, und in deren Innerem sich eine Schlange windet. Gestützt werden die
Kolben meist - aber nicht immer - von Djed-Pfeilern, die mit Armen versehen sind,
und in manchen Abbildungen sogar in den Kolben hineinreichen und die Schlange
tragen. Hinter einem der Kolben steht eine übergroße Figur, und darunter hocken
wesentlich kleiner dargestellte Figuren. Seltsam auch der aufrecht
stehende Pavian mit Messern in den Händen. Das gesamte Arrangement ruht auf
einer Papyrusbarke die entweder als Tag- oder Nachtbarke gedeutet wird.
Hathor
Hieroglyphentexte legen nahe, dass die Tagbarke den ägyptischen Gott Harsomtus in
Gestalt einer Schlange am Morgenhimmel trägt. Dieser steigt aus der Unterwelt in Form
des Mutterleibs der Himmelsgöttin Nut aus einer sich öffnenden Lotosblüte empor, und
wird von verschiedenen Luftgottheiten begleitet, und von Upu in Gestalt des
messerbewehrten Pavians beschützt. Eigentlich recht verständlich für alle die sich mit
ägyptischer Mythologie beschäftigen.
Nicht aber für die Apologeten der Lampenthese. Ihnen zufolge sind die Tages- und
Nachtbarken Stromleitungen, die Djed-Pfeiler mit Armen Hochspannungsisolatoren, und
die sich windenden Schlangen elektrische Entladungen. Die kleinen Figuren unter den
Glühlampenwerden als Plus- und Minuspol gedeutet, und der messerbewehrte
Affengott Upu soll auf die Gefahren hinweisen, die bei unsachgemäßer Handhabung
drohen. Gespeist soll die Lampe angeblich von einer "Bagdad-Batteriegewesen sein.
Das alles wäre unter Umständen nachvollziehbar, würden solche Glühlampen auch
funktionieren. Das können sie aber aus physikalischen Gründen nicht. Man sieht in den
Kolben weder einen plus noch einen minus Pol, mal sind sie isoliert mal nicht. Damit
würden sie auch mit einer "Bagdad-Batterie" nicht funktionieren. Und schließlich würde
bei der notwendigen Evakuierung der Birnen ein Druck von bis zu 60 to auf ihnen lasten,
welchem sie sicher nicht standgehalten hätten. Und was den Zeitrahmen betrifft: die
Reliefs werden von Ägyptologen in die Regierungszeit des Vaters von Kleopatra VII, dem
König Ptolemaios XII. datiert (um 50 v. Chr.), d.h. wesentlich nach der Pharaonenzeit.
Djed-Pfeiler
Das alles scheint die Glühbirnen-Aficionados nicht zu rühren. Sie glauben an den
Besuch einer außerirdischen Zivilisation, der sich Dendera von ihrer Raumstation
wie folgt präsentiert haben könnte (siehe rechts). Und was die Schlangen im
Kolben betrifft, die tauchen auch als Hieroglyphen auf und haben nichts mit
elektrischen Entladungen in Glühbirnen zu tun. Letztere könnten höchstens
Kleopatra VII dazu angeregt haben, sich ihrer zu bedienen, um auf eine andere
Art aus dem Leben zu scheiden als mit vulgärem Schlangengift. Aber das ist eine
andere Legende.
Alles in allem, an der Glühlampenlegende ist nichts dran, Esoterik pur, aber an
ihr wird noch immer fleißig verdient, auch in der Schweiz. In Interlaken kann
man ein Modell der Dendera-Glühbirne im Mystery Landdes Jungfraupark
sehen. Gegen Eintrittsgebühr, versteht sich, und dann von Dänikens Bücher
kaufen.
Hahahaha, das alles erinnert an die Dunkelglühbirne von Daniel Düsentrieb.
Wenn man die einschaltet wird es finster, und kann so in Dunkelkammern oder
für den Mittagsschlaf genutzt werden. Oder an Korfs Tagnachtlampe in
Morgensterns Palmström, die, sobald sie angedreht, selbst den hellsten Tag in
Nacht verwandelt.
Wahrheit ist selten so spannend wie Fiktion.
Kleopatra VII
Die Tagnachtlampe
Korf erfindet eine Tagnachtlampe,
die, sobald sie angedreht,
selbst den hellsten Tag
in Nacht verwandelt.
Als er sie vor des Kongresses Rampe
demonstriert, vermag
niemand, der sein Fach versteht,
zu verkennen, daß es sich hier handelt -
(Finster wird's am hellerlichten Tag,
und ein Beifallssturm das Haus durchweht)
(Und man ruft dem Diener Mampe:
»Licht anzünden!«) - daß es sich hier handelt
um das Faktum: daß gedachte Lampe,
in der Tat, wenn angedreht,
selbst den hellsten Tag
in Nacht verwandelt.
Christian Morgenstern Palmström