Martin van Meytens - Knieende Nonne
skandinavische Freizügigkeit
Keuschheitskommission! Heda! Hierher! Hallo, Keuschheitskommission!
Zu Hülfe, die Sittlichkeit ist in Gefahr!!
Die doppelseitig bemalte Kupfertafel von Martin van Meytens hat
nämlich eine geistliche (brav!) und eine weltliche Seite (pfui!). Auf der
geistlichen kniet eine Gottesbraut im Gebet, auf der weltlichen zeigt sie
ihren prallen Hintern, beobachtet von einer nicht zweifelsfrei als
Schwester Oberin identifizierbaren Person durch eine vergitterte
Fensteröffnung im Hintergrund. Shocking. Vertraute der Materie werden
bemerken dass die Benediktinerin noch dazu falsche Strümpfe anhat.
Analogien zu solchen Verknüpfungen von Sinnlichem mit Sakralem
finden sich vermehrt am Ende des 19. Jhdts, nicht nur in der bildenden
Kunst sondern auch in der Literatur, etwa in Balzacs "La belle Impéria"
(1830er) die von Lovis Corinth frivol überhöht wurde. Bei diesen
Frauenhintern wäre auch P.P. Rubens vor Neid erblasst. Einen besonders
frivolen Hintern widmete Gustav Klimt (Goldfische 1901) seinen
Kritikern, allerdings nicht im religiösen Kontext. Schieles Kardinal und
Nonne (1912) hingegen behandelt die Doppelmoral der Kirche in Sachen
Sex völlig schonungslos.
Schiele Kardinal und Nonne
Klimt Goldfische
Corinth Imperia
Meytens Kleinformat befindet sich überraschenderweise nicht in
Wien, Ort seines langjährigen Wirkens am Hof der Maria Theresia.
Es kam 2006 über eine Auktion für rund 60.000 Euro in den
Bestand des Nationalmuseums Stockholm. Ursprünglich befand es
sich in der Kollektion des Grafen Carl Gustav von Tessin, dem
Förderer von Carl Linné. Das Bild sei in einem kleinen Raum
innerhalb seines Schlafzimmers gehangen, den der Herr Graf zur
Erledigung seiner körperlichen Bedürfnisse benutzte. Meytens
schuf es um 1731, also zurzeit als er den Avancen König Frederik I.
in Schweden zu bleiben widerstand und sich in Wien niederließ. Im
Jahr darauf folgte seine Ernennung zum kaiserlichen Kammermaler,
und er begann seine Tätigkeit als Porträtist der Habsburger und
deren wachsenden Kinderschar, insbesondere von jener der
Kaiserin Maria Theresia.
Ob die sittenstrenge und sehr katholische Monarchin von der
Nonne Meytens wusste?