Petzl Nachlass Roter Kardinal
Gemälde sucht Autor, Thema und Titel
Das düstere Gemälde erhielt ich nach dem Tod meiner Großmutter Kuni 1971. Es hatte mich
bei meinen zahlreichen Besuchen bei ihr in Eggenburg beeindruckt. So erfuhr ich dass es aus
dem Nachlass Ferdinand Petzls stammte, der teilweise an Kunis Mutter Meta fiel. Motiv,
Autor, Titel*) und Entstehungsjahr des Bildes waren unbekannt. Es ist auf Karton gemalt.
Eigene Nachforschungen ergaben dass das Motiv höchstwahrscheinlich die einsetzende
Reformation in England ist. Den Schlüssel dazu lieferte der Jüngling rechts im Bild. Aussehen
und Bekleidung legen nahe dass es sich um den Kindkönig Edward VI (1537-1553) aus dem
Haus Tudor handelt. Er folgte seinem Vater Heinrich VIII (1491-1547) im Jahre 1547, d.h. im
zarten Alter von 9 Jahren nach, und ist an den Prince of Wales’s Federn und der
Edelsteinkette (mit Krone?) erkenntlich.
Um die anderen teils grimmig dreinblickenden Personen auf dem Bild identifizieren zu
können, muss auf die Geschichte der englische Reformation näher eingegangen werden.
Obwohl Heinrich VIII wegen der Nichterfüllung seines Wunsches, die Ehe mit seiner ersten
Frau von Rom auflösen zu lassen, bereits erste Zeichen zur Loslösung von der Kirche Roms
setzte (Auflösung der Klöster und Verteilung deren Ländereien), etablierte sich der
anglikanische Protestantismuns erst während Edwards Herrschaft (1547-1553).
*) Provisorischer Titel, geschuldet dem Kardinalsgewand zweier zentraler Personen auf dem Bild.
Edward VI
Heinrich VIII
Cranmer
Federführend beim Glaubensumbruch waren der Erzbischof von Canterbury, Thomas
Cranmer (1489 1556), Cousin von Heinrich VIII. und der Regentschaftsrat des
minderjährigen Edward VI, angeführt von Edwards Onkel Edward Seymour, 1. Duke of
Somerset (15471549), und nach dessen Hinrichtung von John Dudley, 1. Duke of
Northumberland (15501553).
Sie alle folgten den Ideen der Reformatoren am Kontinent. Ab 1547 durfte die
Reformation in England öffentlich gepredigt werden, und nach und nach setzen sich neue
Bräuche als Folge von parlamentarischen Erlässen durch.
Einfluß übte auch Thomas Seymour (1508-1549) Lord High Admiral von England (1547),
jüngerer Bruder von Edward Seymur, und Bruder von Jane Seymour, dritte Frau Heinrichs
VIII aus. Thomas Seymour wurde von Heinrich VIII zum Schutz vor den Franzosen am
Ärmelkanal eingesetzt, intrigierte aber nach dessen Tod gegen seinen Bruder Edward
Seymour und landete ebenfalls im Tower.
Damit wären die wichtigsten Personen genannt, die möglicherweise auf dem Gemälde
dargestellt wurden.
Die erste Frage betrifft den grimmigen Bartträger in Bildmitte, und jenen re hinter ihm.
Von der Kleidung her sollten beide Kardinäle sein, denn das Rot des Mantels verweist auf
die traditionell traditionell zugeschriebene Kardinalswürde in der r.k. Kirche., wie aus
dem Bild von Thomas Wolsey (1473-1530) mit Heinrich VIII ersichtlich ist.
Thomas Cranmer käme hinsichtlich seine Einflusses als zentrale Figur in Frage, war aber
Erzbischof von Canterbury, nicht Kardinal. Seine Robe wäre lithurgisch also nicht korrekt.
Auch an den Gesichtszügen ist keine Ähnlichkeit feststellbar. Bärte hatten sie ja alle.
Wolsey
Seymour Edward
Dudley
Seymour Thomas
Einziger Kardinal Englands zur Zeit von Edward VI war Reginald Pole, und der war im Ausland,
u.a. bei Papst Paul III. Er hatte sich mit Heinrich VIII zerstritten und kam erst nach Edwards Tod
aus dem Exil zurück. Er war der letzter katholischer Erzbischof von Canterbury (nach
Cranmer). Interessanterweise trat er auch als Zwischenbesitzer der kürzlich entdeckten Pieta
von Ragusa von Michelangelo in Erscheinung, aber das ist eine andere «Begegnung».
Somit bleibt in unserem Gemälde die Identität der zentralen Person in Kardinalsoutfit, und
jener hinter ihr, weiterhin tselhaft.
Eine der Personen hinter Edward VI hingegen könnte Edward Seymour oder John Dudley sein,
während die Person in Rüstung links hinter der Mittelperson höchsztwahrscheinlich Thomas
Seymour ist, seines Zeichens militärischer Verteitiger Englands.
Zum Motif: möglicherweise zeigt das Bild die Parlamentseröffnung am 1. März 1553 kurz vor
dem Tod Edwards. Dies würde die ernsten Gesichter erklären. Bei der vom Papst Paul III.
initiierten Gegenreformation (Konzil von Trient 1545-63) ging es ja um Leben und Tod. Die
erzkatholische Maria I. (Bloody Mary) stand vor dem Tor, auch wenn ihre protestantische
Halbschwester und Nachfolgerin Elisabeth I. Marias religionspolitische Maßnahmen wieder
rückgängig machen sollte. Der Rest steht in Victor Hugos Theaterstück Mary Tudor.
Es ist natürlich auch möglich dass das Bild nicht die historische Wahrheit wiedergibt. Dazu
wäre zu sagen dass ein Bild mit ähnlichem Aufbau von Brigitte in Genf bei der Ausstellung zur
500-Jahrfeier des Protestantismus gesehen wurde. Damit wäre es nicht auszuschließen dass
das Gemälde in meinem Besitz eine Kopie dieses Bilds ist.
Wer hat es gemacht? Joseph Petzl käme in Frage. Er malte gerne auf billigem Karton und
reiste viel, u.a. in den Norden. Beim signieren war er allerdings ein wenig nachlässig...
Pole Pieta
Seymour Edward
Dudley
Seymour Thomas