Paul Klee - Die Zwitschermaschine
der Reiz eines Leierkastens
Das relativ kleinformatige Aquarell aus dem Jahr 1922 zeigt vier Vögel auf
einer Kurbel, alle mit offenem Schnabel so als ob sie zwitschern, und in
verschiedenen Posen mit mehr oder weniger heraushängenden Zungen. Es
ist eines der bekanntesten der 9,000 Klee Bilder, und ein beliebtes
Postermotiv, nicht nur in Kinderschlafzimmern.
Erworben wurde das Blatt von der Berliner Nationalgalerie 1923 direkt vom
Künstler. Dort hing es, bis es 1937 unter der nationalsozialistischen Diktatur
konfisziert und in der Ausstellung »Entartete Kunst« in den Hofgarten-
Arkaden von München präsentiert wurde. Aus dieser Zeit (1938) stammt die
Postkarte von Klees Frau Lily an das Berner Sammler-Paar Hermann und
Margrit Rupf, auf der das Bild der Zwitschermaschine abgebildet war. Wohl
im Einverständnis mit ihrem Mann und als sarkastischer Kommentar
gedacht, wählte Lily dieses Propagandamittel des Nazi-Regimes, wie aus
dem Inhalt der Karte hervorgeht, in der sie das "Desinteressement der
schweizerischen Kunsthändler für Klee beschämend" fand.
1939 verkauften die Nazis das Bild über einen regimetreuen Kunsthändler
für lächerliche $120 nach New York, wo es vom Museum of Modern Art
(MoMA) erworben wurde. Heute ist es eines seiner beliebtesten Bilder.
"Die Zwitschermaschine" ist oft - und Im Lichte der damaligen Zeit
(1922) eher unterschiedlich - interpretierten worden. Einigkeit
herrschte nur über die Tatsache dass sie eine Art "Tierautomaten"
darstellt mit dessen Kurbel vier Vögel bewegt werden, und dass
letztere auf verschiedene Weise darauf reagieren. So absurd die
Vögel aussehen, so leicht ist es in sie verschiedene Stimmungen,
Temperamente und Charaktere hineinzuinterpretieren, etwa in den
ersten Vogel von links der sich mit hochgerecktem Krper und
zurckgeworfenem Kopf als der zuversichtlichste der Vier
präsentiert, während der zweite Vogel verzagt seinen Kopf hängen
lässt, so als hätte er Angst davor von der Kubel bewegt zu werden.
Dementsprechend deuten manche das Bild als Kritik an der
Vernarrtheit in die damalige Technik, mit einer zusätzlichen
sozialpolitischen Komponente insofern, als die Vgel von einer
anonymen Macht ihrer Selbstbestimmung beraubt werden, und
auf verschiedene Weise auf die Bedrohung sinnloser
Automatisierung reagieren. Menschen twittern ja heutzutage auch
ihre verschiedenen Gefühle hinaus in die weite Welt sozialer
Netzwerke.
Weniger wohl gesinnte Interpreten gehen sogar so weit, die
Zwitschermaschine als Satire der Wissenschaft zu bezeichnen.
Na na na.
Das alles sind plausible Hypothesen. Am wahrscheinlichsten mag
jedoch jene erscheinen, die im Bild einen humorvollen Hinweis zur
malerischen Umsetzung von Musik sieht, ähnlich wie sie auch
andere Künstler anstrebten, etwa Adolph Wölfli oder Anne Adams.
Die Zwitschermaschine als liebevoller Leierkasten. Klee war
bekanntlich Musiker und betitelte viele seiner Werke musikalisch,
wie etwa “Alter Klang”, “Neue Harmonie”, “Fuge in Rot, “Gabelung
im Viertakt, “Drei Subjekte polyphon”, “Zeichnung mit zwei
Stimmen”,“ Pianist in Not, “Schlechter Trommler, “Heroische
Bogenstriche” und “Kamel in rhythmischer Landschaft. Dazu
kommt noch dass seine Zwitschermaschine immerhin fünf
Komponisten zur Vertonung angeregt hat und damit zu den
wenigen Bildern gehört, die in Musik umgesetzt wurden. Auch
Pierre Boulez liess sich von Klees Werken inspirieren.
Die wirkliche Absicht Klees hinter seinem Gemälde mag weiterhin
verborgen bleiben. Darin beruht vermutlich sein Reiz. Sicher ist nur
dass es ein reizendes Bild ist. Das sollte einem Kunstfreund
eigentlich genügen. Oder um es mit den Worten Gustav Mahlers
auszudrücken der einmal treffend meinte: Das Wichtigste in der
Musik steht nicht in den Noten..... Das Wichtigste in der Malerei
steht nicht auf dem Bild;-)
Gemalte Musik