Jacopo Tintoretto - Vulkan überrascht
Venus und Mars
Humorvolle Betrachtungen zu einem Ehebruch
Nur wenige Kunstmotive sind so dankbar wie ein Ehebruch mit nacktem
Frauenkörper. Besonders geeignet sind Szenen in denen die Ehefrau vom Ehemann
in flagranti erwischt wird. Eine solche beschrieb Homer in seinem Heldenepos
Odyssee, und später Ovid in seinen Metamorphosen. Der Aufbau der Story ist
einfach: der Gott des Feuers und der Schmiede, der schon etwas betagte und lahme
Hephaestus (Vulcan) and seine Ehefrau, die junge und attraktive Aphrodite (Venus),
leben glücklich im Olymp und haben schon einige Kinder (Cupidos), als irgendetwas
zwischen den beiden schief läuft. Venus beginnt den Kriegsgott Ares (Mars) zu
daten. Ihr Mann erfährt davon und plant umgehend eine Falle. Dazu fingiert er eine
Geschäftsreise auf die fern gelegene Insel Lemnos, und fertigt ein dünnes, fast
unsichtbares Netz an, das er es über das Bett seiner Frau spannt um das Liebespaar
gefangen zu nehmen. Dann lädt er listigerweise die Götter des Olymp (mit ihrem
Oberchef Zeus) ein, und erwartete in ihrer feinen Gesellschaft das üble Spektakel.
Die Story wurde von Künstlern der Antike dankbar aufgegriffen und in vielen
Abarten illustriert. So sieht man auf einem erotischen Fresko in Pompeji das
Liebespaar umgeben von kleinen Amoretten, die mit Schwert und Helm des Mars
spielen, allerdings in Abwesenheit des betrogenen Ehemanns.
Pompeiji
Andere Künstler griffen zu Leinwand und Pinsel, darunter Botticelli
(1483), der in Venus und Mars ebenfalls auf den gehörnten
Ehemann verzichtete, dafür aber die Liebenden von Satyrkindern
umkreisen und necken liess. Kein Wunder dass auch der junge
Venezianer Jacopo Tintoretto (das Färberlein) dieser Versuchung
unterlag. Er war damals gerade 27 Jahre alt, oder jünger, so genau
weiss man das nicht, denn über das Datum seines frivolen
Gemäldes herrscht Ungewissheit (1545-55). Heute ziehrt es die Alte
Pinakothek in München.
Im Unterschied zu früheren Darstellungen gab Tintoretto - nicht
ohne Humor - die Szene in höchst origineller Weise wieder: er
zeigte den Moment als der misstrauische Vulkan aus der Schmiede
herbeistürzt, um das Bett seiner Frau zu inspizieren, während sich
sein Widersacher in voller Rüstung unter den Tisch verkrochen hat
und vergeblich versucht, den kläffenden Haushund zu beruhigen.
Alle Figuren - ausser der Venus - spielen eine erheiternde Rolle,
wobei aber nicht klar ist, was die wirklichen Intentionen des
Künstlers waren. Da wäre zunächst der Ehemann, der die Bettlaken
hebt um einen Blick auf das schamvoll verhüllte corpus delicti seiner
Frau zu werfen. Was sucht er dort ? Will er wissen ob er zu spät
oder zu früh gekommen ist, oder will er sich lediglich von den
heissen Schmiedearbeiten im kühleren Bett abkühlen?
Botticelli
Detail mit Hund und Mars
Tintoretto
Und dann der Liebhaber, der sich mit aufgesetztem Helm unter dem Tisch
versteckt und als Kriegsgott eine eher unglückliche Figur macht. Wie hat er sich so
rasch angezogen ? Oder war er gar nicht ausgezogen? Und schliesslich der kleine
Cupid (Amor) im Kinderbett, der die Augen halb geschlossen hat. Schützt er etwa
nur vor, zu schlafen ? Auch der Hund, Symbol der ehelichen Treue, wie wir aus van
Eycks Anolfini Portrait wissen, spielt eine ungewöhnliche Rolle in dem er den
versteckten Mars ganz ungeniert ankläfft. Nur die Venus in ihrem zerwühlten Bett
zeigt wenig Regung, wobei aber unklar ist, ob sie zur Beschwichtigung ihres
Mannes gerade dabei ist diesen zu verführen. Besonders interessant in dieser
Hinsicht ist das Spiegelbild des Letzteren im Schild des Mars. Im Gegensatz zur
Sicht von vorne, wo er sich mit nur einem Bein auf den Bettrand stützt (das
andere ist ja lahm), ist er in der Sicht von hinten bereits mit beiden Knien im Bett.
Zaperlott! Als ob Tintoretto zeigen wollte, was sich dort kurze Zeit später
abspielen wird...
Jedenfalls eine sehr originelle Art das Thema Ehebruch darzustellen. Dabei
verzichtete Tintoretto, im Gegensatz zur mythologischen Erzählung Homers, auf
die Darstellung der im Netz gefangenen Liebhaber und ihrer Zurschaustellung vor
den Göttern des Olymp, die bekanntlich in das sprichwörtliche homerische
Gelächter ausbrachen. Lovis Corinth zeigte bei seiner Darstellung derselben
Episode in seinem Gemälde "Das homerische Gelächter" (1909) weniger
Zurückhaltung.
Corinth Homerisches Gelächter