So schön, so gut. Niemand hat sich aber die Frage gestellt: War Picasso je
in der Höhle von Lascaux ? Wenn ja, was hat er dort wirklich gesagt ?
Bescheidenheit war ja nicht seine Zierde. Diesen Fragen ist erst in jüngster
Zeit (2005) der Archäologe Paul Bahn nachgegangen. Sein Verdikt: es gibt
keinerlei Hinweis für einen etwaigen Besuch Picassos in der Lascaux
Höhle, und auch in keiner anderen der bekannten vorzeitlichen Höhlen.
Nicht nur das, die obigen Aussprüche sind frei erfunden. Marina Picasso,
die ein Buch über ihren Grossvater schrieb, antwortete auf die Frage ob
die Höhlenkunst ihren Grossvater beeinflusst hätte, mit einem
unmissverständlichen "celà ne lui évoquait rien". Auch in anderen
Biographien gibt es keinerlei Hinweise für einen Besuch Picassos in einer
dieser Höhlen. Sicher ist nur dass Picasso eine Kopie der Venus von
Lespugue besass, und dass sich die üppigen Formen dieser Statuette in
der Darstellung seiner Musen nicht offenbaren. Auch ist es zweifelhaft ob
er, der grosse Erotiker, die erotische Darstellung der Bison/Löwen-Frau in
der Chauvet Höhle kannte. Hätte er sie gekannt, hätte sie ihn sicher zu
einer künstlerischen Stellungnahme à la Fornarina inspiriert.
Zusammenfassend kann man getrost behaupten, dass die Höhlenkunst
von Lascaux einen schlagenden Beweis dafür liefert, wie beim Vermarkten
von Kunstwerken geschwindelt wird, und wie sich diese Schwindeleien
durch stete Wiederholung zu einer unausrottbaren Legende verdichten.
Bison/Löwe-Woman
Chauvet
Venus von Lespugue
-25 000
Picasso-Fornarina