Henri Toulouse-Lautrec - Misia Natanson
Pianistin, Muse und Mäzenin
Misia - so wurde sie in Paris genannt die hübsche Polin Marie Godebska (1872-
1950) - war eine Freundin von Henri de Toulouse-Lautrec. Sie wurde von ihm
mehrmals portraitiert, widmete ihre Gunst aber auch anderen Malern, etwa
Renoir, Vallotton, Vuillard und Bonnard. Picasso hingegen blieb auf Distanz,
erkor sie aber zu seiner Trauzeugin mit Olga Khokhlova und zur Patentante
seines Sohnes Paulo. Sonst lagen ihr alle zu Füßen. Sie galt als die Muse der
Belle Époque. In ihrem Salon ging die große Welt der Pariser Kunst-, Musik- und
Literaturszene der 1900er Jahre ein und aus, darunter Schriftsteller wie Émile
Zola, André Gide, Jean Cocteau und Marcel Proust (er beschrieb sie im Temps
perdu), der Sänger Enrico Caruso, und die Musiker Claude Debussy, Igor
Strawinski und Maurice Ravel (er widmete ihr „La valse“). Es folgten
Freundschaften mit Künstlern aus der Welt des Theaters, des Balletts und der
Mode, etwa mit Coco Chanel, die durch Misia bekannt wurde.
Kurz, Misia war Muse und Mäzenin, ein Motor des Pariser Kunstlebens ohne die nichts
ging. Sie erinnert ein wenig an Berta Zuckerkandl in Wien, allerdings ohne den
Exklusivitätsanspruch letzterer.
Muse
Möglich machten dies alles Misias sukzessive Männer, alle wohlhabend, wobei es nicht
bekannt ist welche Künstler finanziell wie viel von ihrer Grosszügigkeit profitierten.
Misia war nicht nur tüchtig sondern auch musikalisch - man sagte «sie spielte
Beethoven schon auf den Knien von Liszt» - und erinnert in dieser Hinsicht an Alma
Mahler-Werfel-Kokoschka- etc in Wien, eine Muse, die ihre Männer aus der Kunstszene
wählte und sie wechselte wie Hemden.
Toulouse-Lautrecs Gemälde zeigt Misia am Flügel zur Zeit, als sie noch Natanson hiess.
Die Komposition mutet sehr realistisch an. Das ist sie auch, denn sie kommt einer
später aufgefundenen fotografische Aufnahme von Vuillard erstaunlich nahe. Es ist
daher nicht ausgeschlossen dass Toulouse-Lautrec diese Aufnahme zu Hilfe nahm um
seine unruhige Muse zu "bändigen".
Misias letzter Mann, José Maria Sert, war Onkel von Josep Lluís Sert, Erbauer der
Stiftungsgebäude von Joan Miro in Barcelona und Palma, und jenem der Fondation
Maeght in St Paul de Vence. Er selbst war Künstler der Fresken im UNO Gebäude in
Genf schuf.
Zu Ehren von Misia brachte Chanel kürzlich ein gleichnamiges Parfum auf den Markt,
Hommage an die Muse und Mäzenin, die den Duft ihrer Persönlichkeit in die ganze
Belle Époque versprühte.
Von wem die Musen berichten werden, der wird leben” (Tibull)