Georges Braque Maisons à l’Estaque
Beginn des Kubismus, die Rolle von Galeristen und Kunstkritikern
L’Estaque war ein kleines Fischerdorf bei Marseille als es der 24-
jährige George Braque ein erstes Mal besuchte (1906). Kurz zuvor
hatte er im Salon des Indépendants Paul Cézannes Bilder gesehen,
die dieser in L'Estaque in den 1880er Jahren schuf, und war von
dessen strukturiertem Stil sehr beeindruckt. Zwar kehrte er von
seinem Besuch mit Bildern in fauvistischer Malweise zurück - Erde,
Häuser, Pflanzen, Himmel und Wasser waren perspektivisch mit
geschwungenem, üppig koloriertem Pinselstrich dargestellt - dies
sollte sich aber bald ändern. Nachdem Braque eine Retrospektive des
Werks vom inzwischen verstorbenen Cézanne im Herbstsalon 1907
besucht hatte, kehrte er 1908 nach LEstaque zurück und schuf dort
Bilder in einem komplett neuartigen, revolutionären Stil.
"Maisons d'Estaque" war das erste davon. Es ist in einer
verknappenden Bildsprache aus facettierten Formen gehalten, unter
Mehransichtigkeit der Gegenstände und Zurücknahme der Farbe
(praktisch nur Ocker und Grün) um der Form willen, ohne
Zentralperspektive und ohne Sicht auf Himmel und Wasser.
Der Einfluss von Cézanne ist nun klar erkenntlich, aber
nicht nur. Braque kannte bereits Picassos "Demoiselles
d'Avignon" (1907), in der der Katalane unabhängig von
ihm eine ähnliche Bildsprache entwickelt hatte.
Braque reichte noch im selben Jahr sein Gemälde,
zusammen mit neun anderen Bildern, beim Salon
d’Automne ein. Alle wurden von der Jury abgelehnt,
überraschenderweise auch mit der Stimme von Henri
Matisse, der dem Fauvismus treu blieb. Bei der
Beschreibung von Braques Gemälde wurde der Begriff
cubes“ oft abwertend verwendet, unter anderem
vom einflussreichen Kunstkritiker Louis Vauxcelles. Die
Geburtsstunde des "Kubismus" hatte geschlagen,
welcher zusammen mit dem Fauvismus die klassische
Moderne einläuten sollte. Braque war damals 25 Jahre
alt. Seine Bedeutung erkannte aber erst der ebenfalls
junge Galerist und Kunsthistoriker Daniel-Henry
Kahnweiler. Bei ihm konnte Braque 1909 die
Landschaften aus L’Estaque sowie seine ersten
kubistischen Stillleben mit Musikinstrumenten
ausstellen. Auch Picasso wurde von Kahnweiler damals
"unter die Fittiche" genommen. Letzterem ist also der
Durchbruch zum Kubismus zu verdanken.
Picasso Demoiselle d’Avignon 1907
Van Dongen-Kahnweiler (1907/08)
Nach anfänglichem Zögern seitens Picassos
verband ihn mit Braque eine tiefe Freundschaft,
aus der eine Unzahl "kubistischer" Werke
hervorgingen. Dieser gegenseitig befruchtende
Einfluss hielt bis zu Kriegsbeginn 1914 an. Erst nach
dem Krieg, aus dem Braque schwer verwundet
zurückkehrte, entfernte sich dieser vom Kubismus
und entwickelte einen eigenen Stil, bei dem er
vornehmlich Stillleben malte.
Die Periode des Kubismus hatte inzwischen auch
andere Künstler ergriffen, etwa Juan Gris,
Lieblingsmaler von Kahnweiler, endete aber 1918.
Sie war also, verglichen mit anderen Stilrichtungen,
vergleichbar kurz. Das Tor zur Moderne war aber
geöffnet.
Ein Lehrbeispiel der Zusammenarbeit von zwei
Künstlern beim Erkunden neuer Horizonte, und
eine Veranschaulichung der Rolle von Galeristen
und Kunstkritikern.
Braque Tischdecke 1936
Juan Gris