Diego Velázquez - Las Meninas (Die Hoffräulein)
Rätselhaftes Abbild der Habsburger Heiratspolitik
Das Gemälde ist eines der am meisten diskutierten Werke der
Kunstgeschichte. Es entstand im Alcázar (Königspalast) von Madrid, der
Hauptresidenz von König Philipp IV. von Spanien, wohin dieser
Velázquez als Hofmaler berufen hatte. Bildmittelpunkt des Gemäldes aus
dem Jahre 1656 ist seine fünfjährige Infanta Margerite Therese,
umgeben von den Meninas (Hoffräuleins), einem Wächter, zwei
Hofzwergen und einem Hund. Das 3.18 x 2.67 Meter große Gemälde
kann im Prado nicht übersehen werden. Ursprünglich war es noch
grösser, denn nach einem Brand im Alcázar (1734) musste es an seinen
beiden Längsseiten beschnitten werden. Dabei bekam auch die Infanta
eine neue Wange. In den letzten Monaten des Spanischen Bürgerkrieges
war das Gemälde - gemeinsam mit dem größten Teil des Bestandes des
Prados - in Genf, wo es 1939 neben Pablo Picassos Gemälde Guernica
ausgestellt wurde. Seither wurde es vom Prado nicht mehr verliehen.
Soweit die Geschichte des Bildes.
Zur Geschichte der dargestellten Personen. Die raffiniert mehrdeutige
Komposition des Gemäldes beleuchtet einmal mehr die komplizierten
Familien-Verbandelungen im Hause Habsburg.
Dieses regierte zu seiner Blütezeit im 17. Jahrhundert Spanien und
Österreich, weil aber die Thronfolger nur in katholische, regierende Häuser
einheiraten durften und man mit Frankreich im Dauerclinch lag, wurde mit
den ewigen Hochzeiten unter Cousins und Cousinen der Inzestschwund der
Gene immer schlimmer: bis Ende des Jahrhunderts der degenerierte Carlos
II. sogar zu blöde zum Kinderkriegen war, und der spanische Thron doch an
die bourbonischen Erzfeinde weitergereicht werden musste.
Zunächst zu König Philipp IV (1605-1665) und seiner zweiten Frau, Maria
Anna von Österreich (1634-1696). Sie sind nicht direkt abgebildet, man
erkennt sie aber im Spiegel, den König an seinem typischen Habsburger-
Kinn und die Königin an ihrer ausladenden Frisur. Maria Anna war die Braut
von Philipps verstorbenem Sohn aus erster Ehe, und seine leibliche Nichte.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Als sie 1649 in Madrid
heiratete war sie 15 Jahre alt. Aus der Ehe mit Philipp IV gingen sechs
Kinder hervor, von denen aber nur zwei erwachsen wurden, Margarita
Teresa und der Thronfolger Carlos II.
Zur Infanta Margarita Teresa von Spanien (1651-1673, nicht zu verwechseln
mit Marie Therese von Österreich (16381683), Tochter aus Philipps erster
Ehe mit Élisabeth de Bourbon (1602-1644), die mit dem Sonnenkönig
Ludwig XIV verheiratet wurde. Auch Margarita Teresa war Opfer der
Habsburger Heiratspolitik. Sie wurde als 15-Jährige (1666) mit ihrem Onkel
und Cousin, Leopold I., HRR verheiratet, und starb nach der Geburt ihres
sechsten (!) Kindes mit nur 21 Jahren.
Philipp IV
Maria Anna
In Wien ist sie gut bekannt: Bilder von ihr als 3-, 5- und 8-Jährige (alle von
Velasquez) hängen im KHM Wien, und bestattet wurde sie in der Herzgruft
(Herz), Herzogsgruft (Eingeweide) und Kapuzinergruft (Rest des Körpers).
Zum Maler und seinem Gemälde: Diego Velázquez stellt sich als Santiago-
Ritter mit Kreuz auf dem Wams dar. Er arbeitet an einer großen Leinwand mit
Blick zum Betrachter. Was aber malt er? Manche Experten meinen er male
sich selbst beim Übermalen des ursprünglichen Bildes. Eine andere Frage ist:
was reflektiert der Spiegel? Auf den ersten Blick ist nicht zu sagen, ob er das
Königspaar direkt widerspiegelt oder ob er dem Betrachter vielmehr einen
Ausschnitt von der Leinwand zeigt, an der Velázquez gerade arbeitet. Wieder
eine andere Frage ist: wer ist der Mann ganz hinten auf einer Treppe, die in
einen hell erleuchteten Raum führt? Mystère. Die einzige Frage, die relativ
leicht beantwortet werden kann, ist die Natur des Gemäldes das direkt über
Velázquez’ Kopf links oben hängt. Es stammt von Rubens und heißt «Pallas
und Arachne». Warum gerade dieses?
Nicht verwunderlich dass Pablo Picasso von Gemälde seines Landsmannes -
und den darin aufgeworfenen Fragen - derart beeindruckt war, dass er im
Jahre 1957 innerhalb von nur 6 Monaten nicht weniger als 45
Interpretationen davon malte.
Spiegel
Gemälde
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