Auguste Rodin - Mahlerbüste
Paarlauf der Eitelkeiten
Dass sich die beiden Großmeister der Kunst überhaupt treffen
konnten, grenzt an ein Wunder. Gustav Mahler hatte die Wiener
Hofoper zu einem der hrenden Häuser der Opernwelt gemacht,
während Auguste Rodin in Paris am hepunkt seiner
Schaffenskraft angelangt war. Es war Carl Moll, der malende
Stiefvater von Alma Mahler, der alles einfädelte. Nachdem sein
Schwiegersohn die Wiener Oper 1907 im Unfrieden verlassen
hatte, wünschte er sich dass dieser von Rodin modelliert wird. Die
Verbindung zwischen Wien und Paris wurde durch Berta
Zuckerkandl hergestellt. Sie war Schwägerin von Paul Clemenceau,
dem Bruder des Politikers, und hatte ihre gesellschaftliche
Einfädelungskunst schon früher unter Beweis gestellt. In ihrem
Wiener Salon hatten sich Mahler und seine spätere Ehefrau Alma
Schindler kennen gelernt.
Die Modell Sitzungen fanden 1909 nach Mahlers Rückreise aus New
York im Pariser Hôtel Biron statt, wo Rodin im oberen Stockwerk ein
Atelier besaß, während ein gewisser Rainer Maria Rilke im
Erdgeschoss logierte. Heute heisst es Musée Rodin.
Der Kontakt der beiden Künstler war nicht innig, hat aber
immerhin zum Entstehen einer Serie von Mahler-sten geführt.
Der ungeduldige Komponist war von der Idee des Still-sitzen-
ssens im Atelier gar nicht begeistert. Erst eine List man tat
so, als sei es der dringende Wunsch von Rodin, Mahlers
Charakterkopf zu gestalten stimmte den Komponisten um.
Mahler sprach kaum Französisch, Rodin nicht Deutsch. Auch
interessierte sich Rodin nicht übermäßig für Musik. Eitel waren
beide. Mahler soll aus einer Sitzung bei Rodin, als dieser ihn bat,
niederzuknien, beleidigt auf und davon gegangen sein. Dabei
wollte der Bildhauer lediglich den Kopf seines Modells von oben
studieren.
Rodin schuf zwei verschiedene Versionen der Büste: eine, die den
Kopf des Komponisten fast naturgetreu wiedergab (Version A).
Und eine, die mehr Interpretationsspielraum zuließ, indem sie
einen fragilen Mann zeigte, in faszinierender Dualität von
Sensibilität und fordernder Stärke (Version B). Ob Mahler mit dem
Ergebnis von Rodins Arbeit zufrieden war ist fraglich. Alma Mahler,
welche an den Modell-Sitzungen teilgenommen hatte, lehnte
jedenfalls die ersten 6 Büsten (Modell A) ab und schickte sie Rodin
zurück. Erst Modell B fand ihre Zustimmung.
Gustav Mahler 1902
Auguste Rodin 1902
Es war eine dieser B-Versionen welche sie als Witwe 1931,
anlässlich des 20. Todestages ihres Gatten, der Wiener Staatsoper
schenkte, wobei sie bedauerte dass der zur Verfügung gestellte
Raum „zu klein Raum für die Büste“ wäre. Nachdem die Büste
1938 von den Nazis zerstört wurde, schenkte sie 1948 ein anderes
Modell - das eigentlich für die Amsterdamer Concertgebouw
gedacht war - Wien als Ersatz. Es steht heute im Schwind-Foyer.
Wer es dort nicht sehen kann, soll nicht verzagen: es sind
mindestens 21 verschiedene Rodin Büsten Mahlers im Umlauf. Sie
sind über die ganze Welt verstreut. Darunter auch im Wiener
Belvedere.