Albin Egger-Lienz - Totentanz von Anno Neun (1908)
zwiegespaltene Rezeption
Dieses Schlüsselwerk von Egger-Lienz war ursprünglich eine Auftragsarbeit
der Modernen Galerie (Vorläuferin der Österreichischen Galerie). Es sollte den
Tiroler Befreiungskampf gegen die Vorherrschaft der Bayern und Franzosen im
Jahr 1809 zum Thema haben, denn die Ausstellung zum 100-Jahr-Jubiläum
dieses Ereignisses stand vor der Tür.
Zum 60. Krönungsjubiläum des Kaisers 1908 lieferte der Maler sein Werk ab,
den ersten von vielen „Totentänzen, heute im Bestand der Belvedere-
Sammlung. Man sieht darauf vier mehr oder weniger gut bewaffnete Bauern,
die hinter einem Gerippe in den Krieg ziehen, wobei nicht klar ist, ob sie es
voll Patriotismus freiwillig tun, oder ob sie gegen ihren Willen dazu
gezwungen werden. Mit anderen Worten: handelt es sich hier um ein
Kriegsbild oder ein Antikriegsbild?
Dies ist vermutlich der Grund, warum das Bild von Beginn an eine
zwiespältige Rezeption erfuhr. Bereits bei der ersten öffentlichen Ausstellung
wurde es abgelehnt. Der herrschende Eindruck war, dass die Komposition des
Bildes und seine düstere Stimmung keineswegs den Patriotismus
widerspiegelt, der eine kaiserliche Truppe auszeichnen soll. Egger-Lienz
wurden sogar sozialdemokratische Tendenzen unterstellt, was in Zeiten der
damaligen Monarchie als crime de lèse-majesté galt.
Die Ablehnung des Bildes führte schließlich dazu, dass Thronfolger Franz
Ferdinand die Berufung Egger-Lienz' zum Professor an der Akademie der
Bildenden Künste Wien verhinderte. Es war nicht das erste Mal, dass die
Bestellung eines Künstlers an die Wiener Akademie durch politische
Einflussnahme verhindert wurde, siehe Xaver Messerschmidts Ablehnung
durch Staatskanzler Kaunitz in den 1760er Jahren.
Die zwiegespaltene Rezeption von Egger-Lienz` "Totentanz" hielt auch
später an, wobei der Künstler zur Verwirrung beitrug, indem er sich
wiederholt gegen dessen Auslegung als Antikriegsbild wehrte. Vielmehr
verstand er den Fatalismus als schreckliches, aber sinngemßes Opfer fr
das Vaterland. Stolz schrieb er über die offizielle Ablehnung, sein
Gemälde sei "kein billiger Apfelwein sondern feuriger Reinwein".
Nach 1914 wurde sein Bild immer wieder als mahnende Vorahnung des
Ersten Weltkriegs interpretiert, während man in der Zeit des
Nationalsozialismus versuchte das Werk zur Rechtfertigung des
Heldentods zu missbrauchen. Einerseite war es in einer NSDAP-
Ausstellung 1938 prominent vertreten, andererseit wurde den Bildern
von Egger-Lienz 1941 ganz allgemein konstatiert sie stoßen ab, lassen
das Volk in uns kaum warm werden.
Heute, nach einem von Kriegen geplagten 20. Jahrhundert gilt
"Totentanz" als Antikriegsbild par excellence, und wirkt als Warnung.
Krieg
Egger-Lienz bearbeitete das "Totentanz" Motiv über ein Jahrzehnt
lang, teils mag es wie bei Alfons Walde kommerzielle Gründe gehabt
haben, teils konzeptuelle "ich beschäftige mich eben lieber mit
Varianten eines wirklich guten Sujets als mit vielen mittelmäßigen
neuen", meinte er. Das hatte er auch mit anderen Künstlern gemein,
etwa mit seinem großen Widersacher Ferdinand Hodler, der manche
Motive dutzende Male behandelte. Auch Claude Monet beschäftigte
sich gerne mit Varianten eines wirklich guten Sujets.
Insgesamt sechs Fassungen gibt es vom Totentanz, nicht
eingerechnet die 220 x 230 cm große Erstfassung in Öl die Egger-
Lienz selbst zerschnitt. Fassung No 5 (1921) wurde aus dem Egger-
Lienz Museum im Schloss Bruck restituiert und 2006 versteigert
(Erlös 900 000 €). Zumindest drei Fassungen befinden sich heute in
Wien (Belvedere, Leopold, privat)
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