Parmigianino? - Hl. Hieronymus
wer ist der begnadete Fälscher, der die gesamte Fachwelt an der Nase herumführt?
Im Gegensatz zu vielen anderen Darstellungen bohrt der
Hl. Hieronymus hier in seinem Ohr. Das Gemälde wurde
1999 als ein neuentdecktes Werk des Manieristen
Parmigianino gefeiert, und 2003 in dessen
Heimatstadt Parma und im Wiener Kunsthistorischen
Museum ausgestellt, obwohl die Zuschreibung schon
damals nicht unumstritten war.
Als die kleine Öltafel 2012 von ihrem Besitzer Lionel de
Saint Donat-Pourrières, ein in Luxemburg angesiedelter
Rechtsanwalt und Kunsthistoriker, in NY versteigert
werden sollte, sprach Sothebys im Auktionskatalog
schon behutsamer von einem Werk „aus dem Umkreis
von Parmigianino, hob jedoch hervor, dass „die
besonders hohe Qualität, technische Virtuosität und
emotionale Intensität des heiligen Hieronymus“ das Bild
als ungewöhnlich feines Beispiel“ des norditalienischen
Manierismus auszeichneten. Alles falsch, wie sich später
herausstellen sollte.
Hieronymus
Nach der erfolgreichen Auktion - sie brachte dem
Verkäufer 672.000 $ ein - hing das Bild vorübergehend als
Leihgabe im New Yorker Metropolitan Museum. Dabei
kam es zu einem folgenschweren Ereignis. Als im März
2016 die französischen Behörden die von Prinzen von
Liechtenstein eben ersteigerte "Cranach Venus 1531"
wegen Fälschungsverdacht in Aix en Provence
beschlagnahmten, beauftragte Sotheby's vorsorglich
diverse technische und naturwissenschaftliche Analysen
für ein bereits verkauftes Frans Hals-Gemälde, das sie in
einem Private Sale 2011 für satte 10 Mio $ an einen
Sammler in Seattle vermittelt hatten.
Das Ergebnis war ernüchternd: eine Entstehung zu
Lebzeiten von Frans Hals sei ausgeschlossen. Das
Gemälde sei eine moderne Fälschung. Der Deal wurde
von Sotheby's rückabgewickelt. Als Vorbesitzer des Hals
stellte sich als ein gewisser Giulano Ruffini heraus, ein in
der Kunstszene bis dahin wenig bekannter Akteur.
Weitere Überraschung: dieser war auch der Vorbesitzer
der beschlagnahmten Cranach-Venus. Die Mühlen
setzten sich in Gang.
Als bekannt wurde, dass auch der ohrenbohrende
Hieronymus einst Ruffini gehörte, informierte Sothebys den
Käufer und bot ihm eine Überprüfung der Authentiztät seines
Gemäldes an. Diese wurde vom anerkannten Kunst-
Forensiker James Martin und seiner Firma Orion Analytical
durchgeführt. Sie bestätigte den Fälschungsverdacht. An 21,
explizit nicht von Restauratoren zuvor retuschierten Stellen,
entnommene Proben wiesen das synthetische Pigment
Phthalocyanin auf. Die kommerzielle Produktion des meist
Blau und Grün beigemischten Pigments zu den Malfarben
begann jedoch erst im 20. Jahrhundert. Damit war die
Zuordnung zu Parmigianino- oder zu dessen Umkreis - im 16
Jahrhundert ausgeschlossen. Sotheby's refundierte auch
diesem Käufer den bezahlten Betrag und forderte vom
Verkäufer Schadenersatz. Letztere dürfte sich geweigert
haben, denn es kam zur Klage. Er wurde 2018 zur
Rückerstattung von Sotheby's Auslagen verurteilt. Diese
waren mittlerweile auf den doppelten Betrag des Kaufpreises
des Gemäldes angewachsen. Seitdem sucht der Verkäufer
und frühere Besitzer einen Verleger für seinen Essay, in dem
er die Analysen von Orion in Frage stellt, in der Hoffnung
damit die Zerstörung des Gemäldes verhindern zu können
(zumindest in Frankreich können gefälschte Kunstwerke
staatlich zerstört werden).
Phthalocyaningrün
C32Cl16-nHnCuN8(n=0;1;2)
Insgesamt öffnet sich hier ein echter Kunstkrimi: da gibt es mehrere
Gemälde von alten Meistern die entweder als Fälschungen entlarvt
wurden, oder im Verdacht stehen solche zu sein, darunter ein Heiliger
(Parmigianino), ein Porträt (Hals) und eine Venus (Cranach). Allen
Werken gemeinsam ist, dass sie vom selben Besitzer (Ruffini)
stammen, in der Fachwelt unbekannt waren, und sich ihre
Provenienzen nur bis in die 1990er Jahre zurückverfolgen lassen.
Ruffinis Stellungnahme zu all diesen Fällen ist simpel: er habe die
Gemälde von einer Freundin geerbt die 1980 verstorben sei, und er
selbst habe sie nie als das verkauft, wozu sie von Kunstexperten
später geadelt wurden. Schwer ihm das Gegenteil zu beweisen. Der
Fall könnte sich jedenfalls zum grössten Kunstskandal moderner
Zeiten aufweiten, denn Ruffini brachte noch dutzende andere solcher
" Altmeister-Werke" in den Handel, darunter sicher einige von
Experten "geadelte" die heute in Museen hängen. Man ist also
gespannt auf den Ausgang der Nachforschungen der französischen
Behörden in Sachen Cranach-Venus.
Bleiben die Fragen: wer ist der begnadete Fälscher, der in den letzten
Jahren fast die gesamte Fachwelt an der Nase herumführt?
Wo ist das Gemälde jetzt, oder wurde es von den französ.Behörden
inzwischen zerstört?