J. G. Schadow - Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor
wie rasch sich auch Symbole zum besseren wenden können.
Ist es ein Wahrzeichen, ein Nationalsymbol, ein Siegeszeichen oder ein
Friedensbringer? Wahrscheinlich alles in einem. Das von der
geflügelten Siegesgöttin Viktoria gelenkte Vierergespann mit dem
Kampfwagen wurde 1793 aufs Brandenburger Tor gestellt und dort
verankert. Auftraggeber war König Friedrich Wilhelm II. der das Tor im
Andenken an seinen Vorgänger Friedrich den Großen (1789-1793)
errichten ließ. Ursprünglich als Friedenstor gedacht, wurde es zum
Triumphtor, nachdem Wilhelm die Vormachtstellung Preußens in
Europa herbeigeführt hatte und sich als moderner Perikles aufführte.
Wie ihre Schwester in Venedig hat auch diese Quadriga eine bewegte
Geschichte. Nur 13 Jahre nach ihrer Fertigstellung kam Napoleon und
kassierte sie ein. Auf seinem Weg der Plünderung von Europas
Schätzen stand die Quadriga vom Brandenburger Tor ganz oben auf
seiner Wunschliste. Er suchte nicht nur die Museen, die fürstlichen und
königlichen Sammlungen in den besetzten Gebieten nach Kunstwerken
ab, sondern ließ aus Rom, Spanien und Wien tausende von Gemälden,
Handschriften, Münzen und hoch geschätzte Antiken kistenweise
abtransportieren. Zum einen für «seinen» Louvre, zum anderen um
Trophäen für seine Hochzeit zu beschaffen.
Aus Berlin wurde so kurzerhand die Quadriga vom Brandenburger Tor
mitgenommen, aus Venedig die Pferde vom Markusdom und das
Stadtsymbol, der Löwe, und aus Aachen Dutzende Marmorsäulen und
der Sarkophag Karls des Großen. Voll stiller Wut mussten die Berliner
1806 mit ansehen, wie die Quadriga samt Göttin und Pferden zerlegt
und zerschnitten, in Kisten verpackt und per Schiff auf den Weg nach
Paris gebracht wurde.
Aber nicht für lange. Nach Waterloo und dem Wiener Kongress (1815)
kehrten sich nicht nur die Machtverhältnisse, sondern auch die
Richtung der Kunsttransporte um. Delegationen aus ganz Europa
holten sich wieder zurück was sie fanden oder wofür sie den
Transportaufwand als gerechtfertigt einschätzten. Preußen war in
Paris einmarschiert (März 1814), und Napoleon hatte abgedankt und
war auf Elba.
Bis zum zweiten Weltkrieg blieb es relativ ruhig um die Pferde, außer
dass bis zur Abdankung Kaiser Wilhelms II. (1918) nur Mitglieder der
kaiserlichen Familie und deren Besucher die mittlere Durchfahrt
darunter benutzen durften. Die Berliner nannten die Quadriga
nachher “Retourkutsche. Sie überlebte den ersten Weltkrieg relativ
unbeschädigt.
Quadriga Markusdom Venedig
Im Zweiten Weltkrieg hingegen wurde die Quadriga schwer
beschädigt, und 1958 durch einen Frischguss ersetzt, diesmal ohne
preußische Machtsymbolik (Preußenadler, eisernes Kreuz). Ab 1948
befand sie sich infolge der Spaltung Berlins genau an der Grenze
zwischen Ost- und West-Berlin, und das Brandenburger Tor war ab
der Konstruktion der Mauer 1961 überhaupt geschlossen. Ein
trauriges Symbol der Trennung.
Und dann kam 1987 als Ronald Reagan rief: “Mr. Gorbachev, open
this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!
Zwei Jahre später war es so weit. Die Mauer fiel (1989) und das Tor
mit seiner Quadriga wurde das Symbol der Überwindung der
Teilung Deutschlands und Europas.
Beruhigend zu wissen, wie rasch sich auch Symbole zum Besseren
wenden können.
Pferdestatuen
1945