Manet-Wintergarten
Édouard Manet Dans la serre (Im Wintergarten)
nicht alles was durch die Medien als NS-Raubgut geistert, ist auch NS-Raubgut
Manets Gemälde entstand im Wintergarten seines Malerkollegen
Otto Rosen in der Rue d'Amsterdam in Paris und zeigt das Ehepaar
Guillemet. Oh Wunder, es wurde vom Pariser Salon 1879
angenommen, vermutlich weil die Bildaussage rätselhaft ist, und
keine Anzüglichkeiten erotischer Natur vermittelt. Es zeigt schlichtweg
eine Eheszene. Was sich genau zwischen den Ehepartnern gerade
abspielt, ist nur schwer erkenntlich.
Das Bild ist von mindestens zweifachen Interesse. Erstens, weil es
1896 von der alten Nationalgalerie in Berlin erworben wurde, und
damit - noch vor Frankreich - zum ersten Museum wurde, das ein
Gemälde des allgemein als provozierend empfundenen Malers
ankaufte. Verantwortlich dafür war Hugo von Tschudi, der bereits kurz
nach seiner Ernennung zum Direktor der Nationalgalerie gemeinsam
mit dem Maler Max Liebermann nach Paris gereist war, um in der
Kunsthandlung Durand-Ruel das Bild zu erwerben. Es sollte den
deutschen Impressionismus prägen wie kein anderes Bild, sein Ankauf
und seine spektakuläre Ausstellung stiessen in Berlin jedoch auf
allgemeine Missbilligung, insbesondere des Kaisers Wilhelm II.
Hugo von Tschudi
Tschudis Streit mit dem Kaiser kostete ihm schliesslich seinen Job. Ein
weiteres Beispiel der unseligen Einflussnahme von Politik auf die Kunst.
Der zweite Grund für das Interesse am Gemälde bezieht sich auf eine
historische Aufnahme, die bei Kriegsende von amerikanische Soldaten
anlässlich seiner Sicherstellung geschossen wurde, und später typisch für den
sorglosen medialen Umgang mit Bildern aus dieser Zeit wurde.
Die Geschichte ist rasch erzählt. Vor Kriegsende 1945 wurde das Gemälde mit
anderen Beständen der Staatlichen Museen Berlin aus Berlin evakuiert und in
einer Kalimine bei Merkers eingelagert. Dort wurde es bei Kriegsende durch
US Soldaten mit anderen Kunstwerken und Wertgegenständen geborgen und
sichergestellt (siehe Film Monuments Men). Das dabei geschossene Foto
trägt inzwischen ikonographischen Charakter, wird aber leider all zu häufig
zur Illustration von Beiträgen zum Thema NS-Raubkunst verwendet, und dies
selbst von renommierten Medien. Gerade dieses Gemälde ist aber keine
Raubkunst, seine Verwendung zu diesem Thema also nicht gerechtfertigt. Es
gäbe eine Unzahl anderer Gemälde die als NS-Raubkunst sichergestellt
wurden, die dabei geschossenen Fotos sind aber weniger spektakulär.
Fazit: nicht alles was in den Medien als NS-Raubgut gezeigt wird, ist auch
Raubgut.
KY 2019