Honoré Daumier Gargantua
6 Monate Gefängnis für eine Karikatur
Die Karikatur erschien am 15 Dezember 1831 in der Pariser Zeitung La
Caricature und war als Kritik der Politik von Louis-Philippe Ier, dem
"Bürgerkönig" der Julimonarchie gedacht. Dazu muss man vorausschicken
dass der aus dem Haus Orleans stammende König an die Macht gekommen
war nachdem die Pariser Bürger, Handwerker, Arbeiter und Studenten den
reaktionären Bourbonen König Karl X. 1930 zur Abdankung zwangen als dieser
versuchte das Parlament aufzulösen. Allegorisch dargestellt wurde diese
sogenannte "Julirevolution" von Eugène Delacroix in seinem grossformatigen
Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" (1830, Louvre).
In der darauffolgenden "liberalen" Julimonarchie unter Louis-Philippe war
aber auch nicht alles zum besten gestellt. Der "König aller Franzosen" hatte
enormen finanziellen Bedarf, und war bald bekannt für seine Habsucht und
Korruption, und auch dafür dass er seine Deputierten zum Palais Bourbon,
Sitz der Chambre des députés, mit Titeln und anderen Vergünstigungen
"kaufte".
Die Karikatur Daumiers war eine Reaktion auf diese Zustände. Auch ohne Titel
ist klar dass Gargantua der unersättliche Fresser und Säufer im Roman
von François Rabelais - mit dem König verglichen wird. Die Zeichnung ist zwar
nicht schmeichelhaft, hat aber künstlerischen Wert.
Köstlich wie der König mit seinem Birnenkopf, seiner Wampe und seinen
Koteletten Säcke voll mit Goldstücken verschlingt die seine Schergen als
Steuern eintreiben, und dabei mit den herausfallenden Stücken seine
Handlanger bezahlt und vom durchlöcherten Stuhl (Thron) aus die
Abgeordneten unter ihm mit Titeln buchstäblich bescheisst. Klar ist auch, dass
die Karikatur nicht nach dem Geschmack des Königs war, und durch die
Technik der Lithographie riskierte weit verbreitet zu werden. Dazu kam es
aber nicht, denn die Polizei beschlagnahmte das Werk. Daumier und sein
Herausgeber wurden unter dem Vorwurf angeklagt, sie würden Hass schüren,
den König und seine Regierung verachten, und die königliche Person selbst
beleidigen. Die Verhandlung musste Unterhaltungswert gehabt haben, denn
es wurde etwa diskutiert ob Daumier mit "Gargantua" den König persönlich
gemeint hatte oder nur sein aufgeblasenes Budget. Schliesslich wurde er zu
einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten im Prison Sainte-Pélagie verurteilt,
und der Herausgeber musste den Lithographiestein und alle Probeabzüge
vernichten. Anscheinend hat aber doch ein Abzug überlebt, denn dieser kann
heute in der Bibliothèque Nationale de France in Paris besichtigt werden.
Die Julimonarchie bestand bekanntlich nur bis 1848.
Autoren von Karikaturen politisch-gesellschaftlicher Natur müssen heute in
Paris nicht mehr ins Gefängnis. Es kann aber vorkommen dass Karikaturen
religiöser Natur mit Terroranschlägen Mord und Totschlag enden (Charlie
Hebdo). Das nennt man Fortschritt.