Henri Matisse - Oriental Woman Seated on Floor (“Odalisque”)
Fantasme odaliscal
Sie ist zwar nicht die schönste aller Odalisken von Matisse, aber sicher
eine der wenigen mit verdeckten Brüsten. Die Anregung zu seinem
"fantasme odaliscal" erhielt der Künstler während seiner Aufenthalte
in Marokko 1912/1913. Zu dieser Zeit war das Land unter
französischer Besetzung, an welcher auch ein gewisser Paul Yvon
teilnahm (siehe sein Brief vom Dez. 2010 aus SI Mohamed ou Berkane
an seine zukünftige Schwiegermutter Meta in München).
Matisse malte seine Odalisken nicht vor Ort in einem Harem, sondern
in einem Atelier in Nizza, das er mit farbenfroh gemusterten Stoffen
und allerlei orientalischen Dekorationen eingerichtet hatte um die
orientalische Atmosphäre seiner Vorstellung nachzuempfinden. Er
behauptete zwar, er hätte marokkanische Odalisken selbst gesehen,
dies ist aber unwahrscheinlich, denn man dringt nicht ungestraft in
einen fremden Harem ein. Ob ihm während der Entstehungsjahre
1920 -1927 seiner Odalisken die Tänzerin Henriette Darricarrère auch
zum vorliegenden Gemälde Modell stand, ist unsicher. Matisse
meinte, er male Odalisken hauptsächlich der Nacktheit wegen, sah sie
also als Frauenakte. Dieses Bild ist offenbar eine Ausnahme.
Paul Yvon I
Odalisque
Das Gemälde hat eine bewegte Besitzergeschichte. 1941 konfiszierten es die
Nazis zusammen mit ca 160 anderen Werken aus der Sammlung des jüdischen
Händlers Paul Rosenberg in Paris. 1954 erwirbt es die New Yorker Kunstgalerie
Knoedler & Co. von der Pariser Galerie Drouant-David und verkaufte es weiter
an die Familie Bloedel. Diese vermachte es 1991(6?) dem Seattle Art Museum
(SAM). Kurze Zeit später (1997) entdeckten es die Erben von Paul Rosenberg
und forderten es mit dem Hinweis zurück, es handle sich um Raubgut. Das SAM
lehnte zunächst ab, liess aber 1998 dessen Provenienz vom Holocaust Art
Restitution Project (HARP) untersuchen. Im August 1998 klagten die Rosenbergs
das SAM in Seattle, und diese klagten ihrerseits Knoedler & Co. in New York.
Weniger als ein Jahr danach war es so weit. Im Juni 1999 restituierte das SAM
das Gemälde den Erben nach Rosenberg, nachdem HARPs Nachforschungen
bestätigt hatten, dass es unter den von Paul Rosenberg gestohlenen Gemälde
war. Der Gerichtsstreit wurde an der Uni Genf juridisch aufgearbeitet und als
erster Fall bezeichnet, wo ein US-Museum wegen Raubkunst geklagt wurde.
Um die Geschichte noch abzurunden: rechtmässige Besitzerin ist, bzw. war
Rosenbergs Enkelin Anne Sinclair, französisch-amerikanische Journalistin, deren
Ex Dominique Strauss-Kahn, Ex IMF Managing Director, 2011 wegen seines
handgreiflichen Interesses an einer New Yorker Hotelangestellten vor Gericht
kam. In 2007 gab Anne Sinclair das Bild mit einem Preiszettel von angeblich 33
Millionen $ zur Auktion frei. Seither ist es verschwunden.
Keine Panik. Ein ganz ähnliche Odalisque au fauteuil turc hängt im Musée d'Art
Moderne de Paris.
Odalisque Fauteuil turc