Im Februar 2002 nahm ich am Meeting (Task 17) der International Energy Agency (IEA) in Seattle teil.
Dort begegnete ich im Seattle Art Museum (SAM) einer der zahlreichen Odalisken von Henri Matisse
(“Oriental Woman Seated on the Floor”). Das Gemälde ist farblich sehr gelungen, soweit man dies auf
der Reproduktion beurteilen kann, und hat eine bewegte Besitzergeschichte. 1941 konfiszierten es die
Nazis zusammen mit ca 160 anderen Werken aus der Sammlung des jüdischen Händlers Paul
Rosenberg in Paris. 1954 erwarb es die New Yorker Kunstgalerie Knoedler & Co. und verkaufte es
weiter. 1991 landete es schließlich im SAM.
Dort entdeckten es Rosenbergs Erben und forderten es mit dem Hinweis zurück, es handle sich um
Raubgut. Das SAM lehnte zunächst ab, musste sich aber in einem Rechtsstreit beugen und restituierte
das Gemälde. Der Gerichtsstreit wurde an der Uni Genf juridisch aufgearbeitet und gilt als erster Fall,
wo ein US-Museum wegen Raubkunst geklagt wurde.
Die rechtmässige Besitzerin war übrigens Rosenbergs Enkelin Anne Sinclair, französisch-amerikanische
Journalistin, deren Ex Dominique Strauss-Kahn, Ex IMF Managing Director, 2011 wegen seines
handgreiflichen Interesses an einer New Yorker Hotelangestellten vor Gericht kam. In 2007 gab Anne
Sinclair das Bild mit einem Preiszettel von angeblich 33 Millionen $ zur Auktion frei. Seither ist es
verschwunden.
Wie auch immer, ich kam vom Fischmarkt mit frischen Garnelen zurück. Auf dem Tisch ein Entre-
deux-Mers (Chateau Mirambeau).
Die Orientalin wird vermutlich beim nächsten Nachlass wieder auftauchen. Die Garnelen nicht.
Seattle 2002
2002