Tizian - Mädchen im Pelz
Tiziano Vecellios Modell mit und ohne Straußenfeder
Das Gemälde ist äusserst reizvoll, insbesondere die Kombination des
dunklen Pelzes auf der weissen, barbusigen Haut. Das erotisch
aufgeladene Bild scheint weniger ein Portrait zu sein, als eine Hymne
auf die weibliche Schönheit. Sie verschaffte den Liebesgedichten der
Renaissance auch eine optische Basis.
Das sanfte Gesicht des Mädchens ist ausnehmend hübsch, eine
richtige venezianische Schönheit. Man erkennt es auch in einigen
anderen Gemälden Tizians, ab 1535 etwa im Mädchen im Pelz (1535
KHM Wien), im Porträt einer jungen Frau mit Federhut (1536
Ermitage St Petersburg), in La Bella (1536 Palazzo Pitti, Uffizien), und
schliesslich in der Venus von Urbino (1538).
Den Bildern um 1515 scheinen ein anderes Modell zugrunde zu
liegen, etwa in Flora (1515, Uffizien), La femme au miroir (1515
Louvre), Vanità (c. 1515 Alte Pinakothek München) und Judith (c.
1515 Doria Pamphilj Gallerie Rom). Technische Untersuchungen
zeigen plastisch, wie Tizian die Figur der Mädchen sukzessiv
abänderte und sie verkleidete. Unter all ihren Gesichtern erscheint
jedoch das der Wiener Version als am besten gelungen.
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In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass
Rubens das 'Mädchen im Pelz' ca. hundert Jahre später
zu Studienzwecken kopierte. Das Resultat hängt heute
als "Girl in a fur wrap" in Brisbane. Alles ist gelungen
und getreu wiedergegeben, insbesondere der Schmuck
und der Pelz, aber nicht das Gesicht des Mädchens. Es
erscheint weniger sanft und mehr «kantig» als das
Original, insbesondere die Kinnpartie, und ist eindeutig
weniger attraktiv.
Die unbekannte Person des 'Mädchen im Pelz' diente
Tizian offenbar als Modell. Da es sich um dieselbe
Person handelt die auch für die "Venus von
Urbino" posierte, war sie vielleicht die Mätresse des
Auftraggebers, des Herzogs von Urbino. Auch ist
bekannt, dass sich Tizian „Dirnen als Modelle fürs
Nackte“ hielt, und dass sich venezianische Kurtisanen
barbusig porträtieren ließen, um ihre Bildnisse den
Liebhabern zu schenken, oder um sich von ihnen damit
zu „Werbezwecken“ beschenken zu lassen. Dagegen
spricht jedoch, dass viele Figuren idealisiert
erscheinen, und daher kaum als individuelle Porträts
angesehen werden können.
Mädchen mit Federhut
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Zum Porträt der jungen Frau mit Federhut (Ermitage St
Petersburg). Es gleicht dem Wiener Portrait (ohne
Federhut) bis aufs Haar. Genau die Feder hat es aber
französischen Ornithologen angetan, denn man findet
eine Abbildung des St Petersburger Gemäldes auf dem
Lehrpfad des "Parc ornithologique Pont du Gau" in der
Camargue. Die 60 Hektar grosse Anlage ist dem
Naturschutz gewidmet, und ist Nistplatz für Rosa
Flamingos und Silberreiher (Aigrette).
Reiherfedern waren früher beliebt als Kopfschmuck, und
die Vögel wurden deswegen verfolgt, was vermutlich der
Grund für die Abbildung des Gemäldes ist. Leider irren
sich die dortigen Spezialisten aber wenn sie behaupten
dass die Feder auf dem Hut der jungen Dame eine
Reiherfeder wäre. Auf ihrem Hut weht eine
Straussenfeder, keine Reiherfeder.
Ob der Vogel Stauß geschützt werden sollte, ist eine
andere Frage. In der Camargue gibt es jedenfalls keinen.
Da versucht jemand sich mit fremden Federn zu
schmücken.
Pont de Gau
Federn
auf dem Lehrpfad