Shanghai 1998
Chinas neuer Reichtum
Shanghai
1998
Shanghai ist (und war) dem Westkapitalismus weit offen. Es erinnert mit seinen Kontrasten an
Hongkong. Wolkenkratzer neben Armenvierteln (aber nicht Elendsvierteln), Luxusgeschäfte
neben Strassenboutiquen, Nobelrestaurants umgeben von Fahrradküchen, und
Luxuslimousinen eingepfercht zwischen Fahrradscharen. Manche Fahrräder haben
aufmontierte Fässer zur Ölentsorgung der zahlreichen Küchen. Niemand konnte (oder wollte)
mir sagen, was mit dem Öl passiert. Couragierte konnten Immobilien besuchen und kaufen. Uns
wurde eine neue 90 m2Wohnung um eine Million ATS angeboten. Und das im kommunistischen
China. Unser Hotel Mandarin lag an der Einkaufsstrasse Nanjing lu, aber ausser Seide und
Kaschmir gabs dort nur Ramsch. Tapfer kämpften wir uns durch bis zum Bund und dem Peace
Hotel im Jugendstil. Dort gabs Arbalone (Seeohr) und Mandarin Fisch, der sich als Goldbrasse
(dorade dorée) mit Ingwer und Knoblauch entpuppte, und eine Dixieland Band. Den Genuss von
Hühnerfüssen, Hühnerköpfen und Kröten versagten wir uns. Wir müssen ja nicht alles den
Chinesen nachmachen. Die essen angeblich alles, was vier Füsse hat ausser Tisch und Sessel,
und alles, was fliegt ausser Helikopter. Am meisten übers Essen gschimpft haben übrigens die
Japaner. Achtung in den comfort rooms. Im Vorraum genügend viel von der öffentlichen Rolle
abreissen und in die Kabine mitnehmen. Drinnen gibts nur Drahtbürsten.
Der neue Reichtum Chinas offenbart sich in den heutigen Long Museen. Diese gibt es erst seit
2012 (Pudong) bzw. 2014 (West Bund). Inhaber ist der chinesische Tycoon Liu Yiqian, der einem
ausgeprägten Geschmack für liegende Nackedeis hat. Seine Einkäufe sind vermutlich nicht die
letzten. Stay tuned.
Kunst als Verräterin der guten Sitten, nichts Neues
Courbet
Liu Yiqian