Dieser Kulisseneffekt wird von Magritte - offenbar absichtlich - verfälscht.
Er überlagert Reiterin und Pferd mit Hintergrundstreifen, von denen
manche verdeckt sein sollten, seien diese Streifen nun Baumstämme oder
Zwischenraum. Dadurch wankt unser Blick zwischen verschiedenen Stellen
des Bildes, und damit zwischen verschiedenen Interpretationen, hin und
her. Es entsteht auf der begrenzten Bildfläche eine Durchmischung von
Realität und Irrealität. Das ist vermutlich was Magritte wollte, mit allen
Konsequenzen für den Betrachter: wenn man diesen mit Hilfe der
anscheinend so vertrauenswürdigen Sehgesetze unverhofft auf einen
Irrweg führt, so lässt ihn dies die Realität rasch und gründlich in Frage
stellen. Unsere wertende Beobachtung selber wird relativiert. Auch für
den Physiker wird heute die Realität - wie für Magritte, der dies immer
wieder ausdrückt - zum Mysterium.
Es ist nicht Magrittes erste Verspottung unseres assoziativen Sehens. Man
erinnere sich an sein Schockbild, das eine realistisch gemalte Pfeife zeigt,
unter der eine Metalltafel befestigt ist mit der berühmten Inschrift: «Ceci
n'est pas une pipe». Mit seinem Rütteln an den Grundfesten der Sprache
stellt sich der Surrealist Magritte an die Seite der surrealistischen Dichter.
In diesem Sinne könnte man dieses Bild auch als «Ceci n'est pas un blanc-
seing» betiteln.
KY 2018
Pferd
Magritte La pipe