Österreichischer Staatsvertrag
Karikatur einer österreichischen Legende
Österreich wurde nach dem zweiten Weltkrieg von vier Besatzungsmächten beherrscht und bekam
nach zehn Jahre "seinen" Staatsvertrag. Der zäheste Verhandlungspartner war die Sowjetunion. Wenn
man den Geschichtsbüchern glaubt, dauerten die Verhandlungen in Moskau in der Endphase einige
Tage (12-15 April 1955), und es war der Legende nach - nur der Trinkfestigkeit der österr. Delegation
zu verdanken, dass der Vertrag unter Dach und Fach kam.
Nur wenige Karikaturen trafen die Verhandlungen in Moskau so treffend wie jene von Hanns Erich
Köhler in der deutschen Satirezeitung "Simplicissimus". Sie zeigt den Zither spielenden
österreichischen Bundeskanzler Julius Raab und seinen Außenminister Leopold Figl bei
fortgeschrittener Stunde - und erhöhtem Alkoholspiegel - mit den Vertretern der
Sowjetunion, Außenminister W. M. Molotow und dem stellvertretende Vorsitzende des
Ministerrates, A. I. Mikojan. Dabei flüstert Figl die oft zitierten Worte in Raabs Ohr "Und jetzt, Raab –
 jetzt noch d’ Reblaus, dann sans waach!«, während die Sowjets - schon vom mitgebrachten Grünen
Veltliner angeheitert - vor Rührung weinend beinahe zerfließen. Die Reblaus“ war ein weinseliges
Heurigenlied, das gerne vom nuschelnden Hans Moser gesungen wurde, aber auch von anerkannten
Pianisten wie Friedrich Gulda gespielt wurde.
Dass dies so nicht ganz stimmt, erzählte nach vielen Jahren der damalige
Staatssekretär und spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky, der an den Verhandlungen in
Moskau teilgenommen hatte. An einem Abend seien sie alle mit den Kreml-
Machthabern Bulganin und Mikojan beisammengesessen und hätten kräftig
getrunken. Gegen elf Uhr sei Figl so voll gewesen, dass er ihm anvertraute, er werde
unauffällig verschwinden und zu Bett gehen, da hier sowieso nichts mehr
herausschaue. Um Mitternacht jedoch hätten Bulganin und Mikojan ihre Gläser
gehoben und ihnen mit den Worten zugeprostet: „Also, wir geben euch den
Staatsvertrag!“ Am Morgen danach sei ihm Figl, geplagt von seinem Raucherhusten,
auf dem Gang begegnet und habe krächzend gefragt: „Na, war eh nix mehr los
gestern? Nichts Besonderes, nur den Staatsvertrag haben wir gekriegt!“ So
Kreiskys Version über Moskau 1955, erzählt von (hws).
Dazu passt noch eine weitere Legende: unterzeichnet wurde der Staatsvertrag einen
Monat später im Festsaal des Belvedere in Wien (15 Mai 1955). Alle waren da, die
Außenminister der Signatarmächte W. M. Molotow, J. F. Dulles, H. Macmillan und A.
Pinay, sowie der österreichische Außenminister Leopold Figl, und drägten sich nach
der Unterzeichnung auf dem Balkon des Schlosses. Dort sprach Figl zur wartenden
Menge die lange erwarteten, magischen Worte : « Ö s t e r r e i c h i s t f r e i ».
Angeblich, denn diese Worte wurden nachweislich nicht auf dem Belvedere-Balkon
gesprochen, sondern im Festsaal. Den Filmemachern der Wochenschau fanden es
einfach besser das Zitat vom Festsaal ins Freie zu verlegen. Und noch was: tatsächlich
rief Figl »Öfterreich ift freiund nicht »Österreich ist frei", denn er hatte einen
Sprachfehler. Aber man verstand, was er meinte.
Figl & Raab
Belvedere 1955
Kreisky