Chinesische Bronzeplastiken Ratte & Hase
Hintergedanken einer Restitution: Kulturpolitik vom Feinsten
Vorweg: Die Plünderung und Zerstörung des Alten Sommerpalastes in
Peking während des 2ten Opiumkriegs im Jahre 1860 durch britische und
französische Truppen gilt in China bis heute als DIE Demütigung durch den
Westen. Die Palastanlagen und Gartenkomplexe waren 1709 unter dem
Qing-Kaiser Kangxi -dem chinesischen Louis XIV- nach dem Vorbild von
Versailles Garten- und Palastanlage im Barockstil begonnen, und unter
Kaiser Qianlong 1780 fertig gestellt worden. Im Palastgarten
(Yuanmingyuan = Garten der vollkommenen Klarheit) plätscherten Brunnen
mit Fontänen und Wasserspielen, darunter eine Wasseruhr mit Tierköpfen
aus Bronze welche die Tierkreiszeichen (Zodiac) aus dem chinesischen
Horoskop symbolisierten. Jeder einzelne Kopf konnte Wasser speien und
damit die Zeit anzeigen.
Als es unter Kaiser Xianfeng am Ende des 2ten Opiumkriegs in Peking zu
Folterungen und Hinrichtungen von britischen und französischen
Abgesandten kam, beschloss der britische Sonderkommissar für China, Lord
Elgin (der mit den Friesen des Athener Parthenon), eine Strafexpedition von
britischen und und französischen Truppen. Sie begann mit der Plünderung
des Sommerpalasts und endete mit dessen Zerstörung unter nicht ganz
geklärten Umständen.
Der französische Befehlshaber General Montauban, der sich bei der
Plünderung persönlich bereichert hatte, verweigerte die Teilnahme an
der Zerstörungsaktion. In der Folge wanderten die gestohlenen Artefakte
in den Westen und befinden sich heute im Besitz staatlicher Museen und
privater Kunstsammlungen. Dazu gehören auch die hier gezeigten
Bronzeköpfe einer Ratte und eines Hasen, die Yves Saint Laurent 2009 für
seine Sammlung erwarb.
Zum Wert der Bronzeköpfe: "sie haben symbolische Bedeutung, was aber
nicht heißt, dass sie auch künstlerische Bedeutung haben", meinte ein
Kunstexperte mit chinesischen Wurzeln sehr treffend. Im Jahr 2000 habe
China erstmals drei Bronzeköpfe zurückgekauft das war bereits wichtig
für die patriotische Erziehung. Dass China heute in der Lage sei, auch
andere Bronzeköpfe zurückzuholen sei das Entscheidende. Und das sei
das eigentliche Problem dieser Köpfe. Sie sind aus chinesischer Sicht zum
Symbol für die Ansprüche der aufstrebenden Nation geworden. Die
Demütigung von 1860 sitze so tief, dass sich China heute noch immer als
Opfer sieht. Das gepaart mit dem neuen Nationalstolz mache eine
rationale Debatte über die Bronzeköpfe so gut wie unmöglich.
In eine ähnliche Kerbe schlug auch der chinesischen Konzeptkünstler Ai
Weiwei, der eine komplette Serie von Kopien der Bronzeköpfe anfertigte:
Für ihn mag die Anlage des Sommerpalasts ganz hübsch gewesen sein,
nur chinesisch war sie nicht, meinte er.
Den Brunnen habe im 18 Jhdt ein französischer Jesuitenpater entworfen,
den Garten ein Italiener etc. Damit hat er natürlich Recht. Ob seine
Nachbildungen aber "chinesischer" sind, sei dahingestellt. Hübscher sind
sie jedenfalls nicht.
Nach dem Tod von YSL wurde sein Nachlass 2009 von Christie’s
versteigert. Es war der bis dahin grösste Privatverkauf in Paris. Davor legte
aber China offiziell Protest ein, und nachdem dies nicht fruchtete, klagte
Peking vor einem Pariser Gericht wegen Verkaufs von gestohlenem Gut.
Dieses lehnte den Antrag Pekings auf einen Stop der Auktion ab. Motif:
YSL habe die Köpfe rechtmäßig erworben. Der Fall wurde von der Uni Genf
als Legal Case juridisch aufgearbeitet. YSLs Lebensgefährte, Pierre Bergé,
hatte in dieser Zeit eine noch viel schmerzvollere Antwort an Peking: er
würde die Köpfe nur dann übergeben, wenn China Menschenrechte
garantiere und Tibet die Freiheit schenke. Der Mann hat Format.
Die Geschichte ist noch nicht zu Ende: die Köpfe wurden für je $14 Mio.
von einem anonymen Chinesen ersteigert. Dieser weigerte sich aber die
Rechnung zu begleichen, und zwar aus Protest über die erfolgte Auktion.
In diesem Moment trat François Pinault, Besitzer von Christie's, in Aktion.
Ihm war aus Peking im Falle einer Versteigerung bedeutet worden: "it
would have serious effects” on Christie’s interests in China". Also kaufte er
die Köpfe zurück und restituierte sie an China, offenbar aus kommerziellen
Gründen.
Pinault
Und durfte dies bei einem Staatsdinner in Peking anlässlich des Besuchs
vom französischen Staatspräsidenten François Hollande 2013 dem
chinesischem Machthaber Xi Jinping stolz verkünden. Alle waren
zufrieden, nicht nur Xi Jinping und Hollande, sondern auch Pinault, denn
Christie's darf in China weiterhin seine Geschäfte machen. Das ist
Kulturpolitik vom feinsten.
Die Bronzeköpfe befinden sich jetzt - zusammen mit anderen - im
Pekinger Poly Art Museum. Fünf fehlen noch: Drache, Schlange, Schaf,
Hahn und Hund. Ohne diese kann der chinesische Zodiac-Kreis nicht
geschlossen werden. Solange wird also China noch böse auf uns sein.