Jean-Étienne Liotard - Marie-Antoinette
Langjährige Verwechslung mit Marie-Caroline und Gemeinsamkeiten zwischen
Wien und Genf
Das Pastell ist ein ausnehmend hübsches Portrait der damals 7-jährigen Maria Antonia
von Österreich-Lothringen Antoinette»), 15tes Kind und letzte Tochter von
Kaiser Franz I. von Lothringen und von Maria Theresia von Österreich, und zukünftige
(letzte) Königin von Frankreich unter Louis XVI. Gemalt wurde es 1762 vom "Genfer"
Liotard bei einer seiner Wien-Reisen an den Kaiserlichen Hof. Es war das Jahr in dem der
6-jährige "Wolferl" Mozart am Hof der Kaiserin spielen durfte und auf ihren Schoss
kletterte, und wo er der etwas älteren Antoinette eröffnete er würde sie einmal heiraten.
Das Bild ist seit 1947 im Bestand des Musée d’Art et d’Histoire de Genève, zusammen mit
anderen Pastellen Liotards der Habsburger Sippschaft, insbesondere von Antoinettes drei
Jahre älteren Schwester Marie-Caroline.
Letztere wurde 1752 geboren, Antoinette 1755. Beim Porträtieren im Jahre 1762 waren
die Mädchen also 10 bzw 7 Jahre alte Kinder, was deren relativ grossen Köpfe im Vergleich
zu ihren Körpern auf den Bildern erklärt. Marie-Caroline.sollte später Königin von Neapel
und Sizilien werden und 18 Kindern das Leben schenken- also zwei mehr als ihre eigene
Mutter - von denen allerdings 14 im Kindesalter oder sehr jung starben. Nur 4 Kinder
überlebten Marie-Caroline.
Das Schicksal Antoinettes ist bekannt. Jenes von Marie-Caroline ereilte sie 1814 bei einem
Schlaganfall in Wien.
Caroline
Antoinette
Zurück zum Bild Marie-Antoinettes. Es wurde bis vor kurzem von allen Kunsthistorikern, die
ihren Namen verdienen, ihr zugeordnet, und erscheint in allen derzeitigen Kunstbüchern unter
ihrem Namen.
Dies stellt sich nun als ein historischer Irrtum heraus, denn kürzlich (2025) zeigte eine
Kunsthistorikerin aus Oxford (!)*) dass das Bild Marie-Antoinettes mit jenem von Marie-
Caroline verwechselt wurde**). Und dies mindestens seit 1947, als die Bilder ins Inventar des
MAH Genève gelangten.
Peinlich für alle Beteiligten, inklusive für die noch lebenden Habsburger, denen die
Verwechslung mehr als 70 Jahre lang nicht auffiel.
Unabhängig davon erinnern diese Bilder aber an die zahlreichen Berührungspunkte zwischen
den damaligen Höfen in Wien und Paris, vermittelt durch einen Genfer Künstler französischer
Abstammung (Liotards Eltern mussten als Hugenotten 1685 nach der Aufhebung des Edikts
von Nantes durch den Sonnenkönig fliehen).
Gemeinsamkeiten jüngeren Datums zwischen Wien und Genf sind die Kanonen in der Altstadt
von Genf, die nach der Befreiung der Stadt durch den Österreicher Ferdinand von Bubna und
Littitz im Februar 1814 die Reise nach Wien, und 1815 wieder zurück nach Genf antraten,
sowie ein Einschussloch der österreichischen Artillerie am 28 Juni 1815 im Genfer Vorort
Carouge während der Napoleonischen Wirren.
Auch unter Freunden schenkt man sich nichts.
Canons à Genève
*) Catriona Seth
https://www.ox.ac.uk/news/2025-10-09-new-research-finds-defining-childhood-portrait-marie-antoinette-really-her-sister
**) https://www.bilan.ch/story/marie-antoinette-le-mah-de-geneve-corrige-une-erreur-historique-359657441888
https://www.derstandard.at/story/3100000291920/dieses-beruehmte-portraet-von-marie-antoinette-zeigt-eigentlich-ihre-schwester?ref=seite1_entdecken
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