Antoine Watteau Pierrot (Gilles)
Rätselhafte Beschneidung
Watteaus Pierrot (Gilles) ist ein ungewöhnliches Gemälde.
Mit seinen Ausmassen von 1.5 x 1.8 m und dem fast
lebensgrossen Gilles sprengt es den üblichen Rahmen
seiner Gemälde. Bekannt ist fast nichts über Auftraggeber,
Verwendungszweck, Identität der dargestellte Personen
und Aussage des Gemäldes. Möglicherweise diente es als
Ladenschild für das Café eines ehemaligen Schauspielers
in Paris, oder als Plakat für eine Theatervorstellung. Sicher
ist nur dass die Figur des Pierrot aus der Italienischen
"Commedia dell’arte" entlehnt ist, und dass das Gemälde
Pierrot mit vier Komödianten darstellt.
Die Figur des Pierrot wurde von Watteau vielfach
dargestellt, so in Partie zu Viert (um 1713), Comédiens
Italiens (1720 Nat. Gal. Washington), Gilles & his Family
(1716), und Pierrot Content (Jahr, wo?)
Über die Identität des immer weiss gekleideten Pierrot gibt es
mehrere Hypothesen.......sogar die eines Selbstportraits, wobei
die Ähnlichkeit mit Watteau nicht gerade frappierend ist.
Angeblich nahm Watteau für das Portrait Anleihe beim Pfarrer
von Nogent sur Marne, seines letzten Wohnorts als Todkranker. Er
starb dort mit nur 37 Jahren, angeblich an Tuberkulose.
Eine viel diskutierte Besonderheit des Gemäldes war bis vor
kurzem die dezentrierte Figur des Gilles. Bei Portraits war das für
die damalige Zeit ungewöhnlich, und so ordnete man es dem
Genie Watteaus kurzerhand zu, mit dieser Sitte gebrochen zu
haben.
Weit gefehlt. Vor kurzem stellte sich heraus, dass das Gemälde
beschnitten wurde, und zwar an allen 4 Seiten. Warum ist
unbekannt, wenn man aber das damalige geringe Interesse an
Watteaus Werk in Rechnung setzt, könnte es seinen grossen
Dimensionen geschuldet sein. Wäre nicht das erste mal dass
Gemälde grosser Künstler von ihnen selbst oder ihren
Nachfaheren gestutzt wurden (cf Rembrandts Claudius Civilis,
Monets Nympheas,…..)
Im Zusammenhang mit der Identität des Pierrot wäre noch
folgende Episode mit dem Pfarrer von Nogent sur Marne zu
erwähnen. Als dieser Watteau auf dem Totenbett die
Absolution erteilen wollte, fiel Watteaus Blick notgedrungen -
auf dessen geschnitzes Kruzifix. Er fand es schlecht gemacht
und empörte sich mit den Worten : ôtez-moi ce crucifix il me
fait pitié, est-il possible qu’un artiste a si mal accomodé son
maître?
Zuletzt wurde auch der Verdacht geäussert dass Watteau nicht
an Tuberkulose starb sondern an einer Bleivergiftung. Für die
Farbe Weiss verwendete er, so wie später Segantini, Bleiweiss
(cf “Die bösen Mütter”) der daran starb. Und das sehr
grosszügig, wie man an der Darstellung seines Gilles erkennen
kann. Falls dies stimmt, würde es dieser Figur neben ihrem
melancholischen Ausdruck noch zusätzlich einen tragischen
Aspekt verleihen. Ob es zu jenen Gemälden gehörte deren
Zerstörung er vor seinem Tod angeordnet hat, ist nicht
überliefert.
Viele ungelöste Rätsel.