Kleine Eiszeit-Kunst: Hendrick Avercamps "Winterlandschap met ijsvermak" (Winterlandschaft
mit Eisläufern), entstanden um 1608, ist wohl eine der anmutigsten, sicherlich eine der heitersten
und am reichsten bevölkerten Wimmeldarstellungen von Winterfreuden in den Niederlanden um
1600. Dass das Rijksmuseum in Amsterdam, das diese nur 132 auf 76 Zentimeter messende Arbeit
des taubstummen Künstlers besitzt, der 1634 mit 49 Jahren gestorben war, diesem vor acht
Jahren eine kleine Retrospektive widmete, ist verständlich. Denn bei diesen Darstellungen ist
Kunstgeschichte zugleich pittoreske Kulturgeschichte. Denn wieso, fragt man sich, konnten die
Holländer damals auf dem Land auf zugefrorenen Gewässern dem Schlittschuhlaufen frönen,
wieso gab es damals in London auf der Themse Straßenbuden und einen Jahrmarkt inklusive
geschäftstüchtiger Drucker, die eigens Erinnerungsblätter auf dem Eis druckten und feilhielten?
Pointillistische Eleganz Die Erklärung dafür ist die sogenannte Kleine Eiszeit zwischen etwa 1570
und ungefähr 1690 in Europa. Diesem klimahistorischen Phänomen und seinen kulturhistorischen
Ableitungen wie Folgen, von Hunger über Krieg bis zur Ökonomie, widmet Philipp Blom sein
neues Buch. Der 1970 geborene, in Oxford ausgebildete und seit mehreren Jahren in Wien
ansässige Deutsche, der das Kunststück fertiggebracht hat, in den letzten Monaten im selben
Verlagshaus einen Roman und jetzt ein historisches Sachbuch herauszubringen, zeigt gleich zu
Beginn, was bereits seine Bücher über das Sammeln, die Aufklärung und das 19. Jahrhundert
auszeichnet.
https://derstandard.at/2000055189013/Kleine-Eiszeit-Und-die-Voegel-erfroren-im-Flug
Kleine Eiszeit