Familienwiege Yvon
Geschichte ihrer «Befüllung»
Die Wiege wurde 1943 von meinem Vater in Auftrag gegeben. Sie war aus Holz und wurde von ihm allseitig
mit Blumenmotiven verziert. Holz gab’s im Waldviertel ja gernug, und einen Tischler gab’s auch im Ort*).
Womit es haperte waren die Farben. Kinder- und witterungsbeständige Ölfarben waren im Krieg nur schwer
erhältlich. Die von Vater ergatterten waren aber von tip-top Qualität. Sie überlebten den Krieg und die
folgenden Befüllungen ohne signifikant zu verblassen. Nicht so wie manche Farben in Gemälden Van Goghs,
auf die ich noch zurückkommen werde**).
Aus der Wiege hatte ich natürlich keinen direkten Ausblick auf das künstlerische Talent meines Vaters. Ich
teilte dieses Schicksal mit einem Säugling vor mir, der 1917/18 von einem anderen Künstler und fleissigen
Babyproduzenten in einer noch prachtvoller gestalteten Wiege dargestellt wurde.
Der Maler hieß Gustav Klimt. Er hatte rund ein dutzend Nachkömmlinge, von denen er vermutlich einen als
Vorlage für sein quadratisches Gemälde Baby (Wiege) verwendete. Es hängt jetzt in den USA und ich
begegnete ihm 1996 in Washington (NGA)***). Ein bisserle blass war das Kind, aber der Kontrast mit den
färbigen Tüchern in der Wiege war künstlerisch zwingend.
*) Tischler gibts heute keinen mehr im Ort, auch keinen Dorfgendarmen (seit 1993), keinen Greisler (1992 Heichinger, 1999 Lager), und kein
Postfräulein (2005). Dafür gibts einen extrem hässlichen Gemeindebau (2012) und eine extrem lange Holzleiter. Letztere ist der Stolz der
Gemeinde denn sie gilt als die längste Holzleiter der Welt (41 Meter). Leider wurde ihr kürzlich von einer noch längeren Leiter der Rang
abgelaufen. Sie misst 69 Meter und steht bzw. liegt in Isenthal am Urnersee (Schweiz). Offenbar wachsen auch dort Bäume in den Himmel.
**) siehe unser Besuch in Arles 2024
***) National Gallery of Art. Klimts Gemälde gelangte durch den österr. Architekten Josef Urban [1872-1933] in die USA. Dieser führte eine
Zweigstelle der Wiener Werkstätten in New York und baute Mar-a-Lago, den Aufenthaltsort des unseligen US Präsidenten D. T. in Florida.
Klimt
Van Gogh
St Leonhard 1930er
Beg125
Ich selbst hatte später Gelegenheit die Wiege ausführlich von aussen zu studieren. Ihre Befüllung mit
den 3 “Dokta-Buam” erfolgte naturgemäß in der Reihe deren Geburt, d.h. 1943 (Burli), 1946 (Butzi) und
1949 (Gucki), daher der Name Familienwiege. Sie war nachweislich bis 1950 im Einsatz. Danach blieb sie
unbenutzt, wartend auf die nächste Generation.
Meine Brüder lieferten tatsächlich je 6 Enkelkinder, Marcel mit 2 Ehefrauen und Paul mit 3 Ehefrauen.
Ich brachte es nur auf 3 Enkel, kein Wunder mit nur einer Frau*).
Der erste war Marcel. Er sorgte mit Annelie für den Enkel Georg (alias Etzel). Die Wiege wanderte also
logischerweise zu ihm. In welchem Ausmaß sie die Etzelei verwendete, ist nicht überliefert.
Sicher ist nur dass Marcel die Wiege anlässlich seines Besuchs im Chalet in Bettex seinem Täufling Cédric
in einer denkwürdigen Zeremonie übergab. Das war 2002, also vor seiner zweiten Ehe mit Sandra. Dass
er die Wiege nochmals gebrauchen hätte können**) steht mittlerweile ausser Zweifel.
Täufling Cédric heiratete tatsächlich, aber erst 10 Jahre später (2012). Er und Irina brachten es
inzwischen auf zwei Söhne, Samuel und Maxim, wobei zumindest Sami die Wiege als Gast kennen lernte.
Auch Balthazar (Céline) und Charlie (Candice) lernten die Wiege kennen, zeigten an einer dauerhaften
Bewohnung aber kein ausgeprägtes Interesse.
Seither herrscht bei den Yvons Wiegenruhe. Die Wiege steht derzeit im Chalet in Frankreich.
Wie lange noch?
*) Zwei Kinder wären Brigitte sicher genug gewesen, denn sie arbeitete Vollzeit weiter, ließ sich dennoch zur No 3 (Candice)
erweichen”
**) was heisst einmal, dreimal (Leonhard, Valentin, Adrian) !
Charlie
Marcel & Cédric
Balthazar
Samuel